Die Insel der Krieger
Weißes aufblitzen. Als er genauer hinsah, bemerkte er, dass es Kaya war. Dass sie so spät noch durch den Wald streifte, erstaunte ihn weniger als die Tatsache, dass sie dies ganz alleine tat. Kartax war nicht bei ihr. Noch nie hatte der Junge Kaya ohne den Löwen gesehen. Neugierig gewo r den verharrte er, bis sie zwischen den Bäumen nicht mehr zu sehen war, dann schlich er ihr nach. Sie hatte ihn offenbar nicht bemerkt und so würde er herausfinden, was sie v orhatte, wenn er ihr nur in ausre i chend großem Abstand folgte. Sollte sie allerdings doch feststellen, dass sie verfolgt wurde, wäre er in Schwierigkeiten. Ganz gleich, was sie vorhatte, würde sie es sicher nicht gutheißen, wenn er ihr nachstel l te. Daher überlegte er, ob er sich bemerkbar machen und sie einfach fragen sollte, während sie immer tiefer in den Wald vordrangen. Da sie jedoch offenbar nicht einmal Kartax bei sich haben wollte, war es unwahrscheinlich, dass sie Lust hatte, ausgerechnet ihn einzuweihen. Wie lange er ihr auch folgte, ihr Ziel war nicht ersichtlich. Außerdem wurde es zunehmend dunkler und der Wald immer undurchdringl i cher. Nalig wusste nur zu gut, was das letzte Mal geschehen war, als er so tief in den Wald geraten war. Er hatte kein Verlangen danach, sich noch einmal zu verlaufen. Daher brach er die Verfolgung ab. Es stellte sich schon jetzt als schwierig heraus zurückzufinden, da er weniger auf den Weg, sondern mehr darauf geachtet hatte, sich vor der Göttin zu verbergen. Nalig blieb stehen und sah sich um. Wenn er wenigstens wüsste, in welcher Richtung der Tempel lag. Unter dem Blätterdach des Waldes war es weder möglich, sich nach dem Sonnenstand zu richten noch die Sterne zu diesem Zweck zu nutzen. Als er das letzte Mal durch den Wald geirrt war, hatte ihn sein Falke zurückgeführt. Doch wie sollte er ihn nach dem Weg fragen, wenn er ihm nicht ei n mal begreiflich machen konnte, ihm einen Schlüssel zu bringen? Nalig versuchte dennoch sein Glück. Wie erwartet, flatterte der Vogel nur verwirrt im Kreis und setzte sich dann auf einen Fels en, von wo er Nalig verständnislos ansah. In Ermangelung eines besseren Plans, entschied sich der Junge für irgendeine Richtung, als er etwas im U n terholz rascheln hörte. Wohl wissend, dass der Wald nicht nur Gutes beherbergte, wandte er sich zu der Stelle um, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie ein Tier aus dem Schatten sprang und sich mit Zä h nen und Klauen auf seinen Falken warf. Das Kreischen des Vogels rief in Nalig sofort die Erinnerung an den Angriff des Habichts zurück. Ohne darüber nachzudenken, griff er sich einen langen, kräftigen Ast, sprang nach vorn und schlug dem Tier, das er als Luchs erkannte, so fest er konnte auf den Kopf. Die Katze taumelte zur Seite. Nalig setzte ihr nach und schlug erneut zu, streifte das Tier jedoch nur noch, das sich schon auf dem Rückzug befand. De r Junge warf den Ast beiseite und hechtete zu seinem Falken, der jedoch unverletzt schien. Während Nalig den Vogel auf Kratzer oder Bisse untersuchte, bemerkte er, wie seine Hände zitterten. »Du solltest dich in Zukunft vorsehen«, riet er, nachdem er sich vergewissert hatte, dass seinem Begleiter nichts fehlte und hob ihn auf seine Schulter. Der Falke flatterte davon und ließ sich auf dem Waldboden nieder. »Was soll das? « Nalig ging zu ihm hinüber und erkannte, dass der Vogel auf dem Ast saß, den er gerade wegg e worfen hatte. »Na komm jetzt, lass uns gehen«, forderte der Junge und streckte die Hand aus. Mit einem Protestschrei hackte der Falke nach seinen Fingern. »Ich habe wirklich keine Zeit für deine Launen«, schimpfte der Junge gereizt und stand auf. Wenn er einfach ging, wü r de der Vogel ihm schon folgen. Mit einem erneuten Aufschrei rauschte der Falke heran, doch statt sich auf seiner Schulter nieder zu lassen, begann er, ihm das Gesicht zu zerkratzen und mit wildem Geschrei um seinen Kopf zu kreisen. »Was um alles in der Welt ist mit dir los? « Nalig hob schützend die Arme. Der Falke flog zurück auf den Boden und begann, mit dem Schnabel an dem Ast entlang zu schaben. Er versuchte sogar, ihn in Naligs Richtung zu ziehen. Als dies nicht g e lang, flog er abermals um den Kopf des Jungen, um anschließend wieder auf dem Ast zu landen, wo er energische Schreie ausstieß. Di e ses Prozedere wiederholte er einige Male. Der Junge machte sich i n zwischen ernsthafte Sorgen, ob der Vogel bei dem Angriff des Luchses womöglich doch Schaden genommen hatte,
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