Die Insel der Krieger
dann begriff er endlich, was sein Begleiter von ihm wollte. »Nein«, meinte er entschieden. »Das kannst du vergessen. Ich werde nicht mit einem morschen Stück Holz für mein Königreich in den Kampf ziehen. « Er wandte sich ab, jedoch verhinderte sein Falke durch eine erneute Attacke, dass er fortging. Er hatte seine Wahl getroffen und würde nicht nachgeben. »Warum kannst du nicht einmal einfach das tun, was du sollst? Die anderen Krieger kämpfen mit Schwertern, Äxten und Bogen. Was soll ich mit diesem Spazierstock? « Aufgebracht schnappte Nalig den Ast mit be i den Händen und schlug ihn fest gegen sein angewinkeltes Knie, um ihn zu zerbrechen. Das Einzige, was er davon hatte, war ein scharfer Schmerz in seinem Bein. Zähneknirschend sah er ein, dass er den Wald wohl nicht ohne diesen Ast würde verlassen können und nahm ihn mit. Er wollte gar nicht daran denken, was Stella sagen würde, wenn er damit auftauchte und auch nicht an das Gelächter Greons. Besonders gespannt war er jedoch darauf, was Kaya ihm zu sagen hatte. »Großartig«, knurrte Nalig und schlug mit dem Stock gegen jeden Baum, an dem er vorbei kam. »Wirklich rührend, dass du ausg e rechnet das Stück Holz als meine Waffe auserkoren hast, mit dem ich dir das Leben gerettet habe. Aber wir leben hier nicht in einer von Mariks Balladen. Mein Leben hängt davon ab und damit auch deins. «
Zalari wirkte verschlafen, als er auf Naligs beharrliches Klopfen hin die Tür öffnete und sein kinnlanges Haar, das er tagsüber meist z u rückgebunden hatte, hing ihm wirr ins Gesicht. »Was ist denn los? « »Das hie r! « , rief Nalig au fgebracht und schwenkte den Stock vor Zalaris Augen. Dieser blickte nur verständnislos drein. »Ich werde nicht mit diesem Ding kämpfen. Damit mache ich mich doch nur lächerlich. « Noch immer verwirrt blickte Zalari den Gang auf und ab. »Komm rein, bevor du alle aufweckst und völlig den Verstand ve r lierst. « Nalig trat in Zalaris Zimmer und ging wütend auf und ab. »Was ist denn passiert? « Zalari zündete seine Lampe an. Als er sich einige r maßen beruhigt hatte, setzte Nalig sich zu Zalari auf das Bett und erklärte, was geschehen war. Er berichtete von Stellas Übung, wie er danach in den Wald gelaufen war, vom Angriff des Luchses und wie sein Falke ihn nicht ohne den Ast gehen lassen wollte. Nur die Tats a che, dass er Kaya bespitzelt hatte, ließ er aus. »Aro hat einmal gesagt, dass eine Waffe, ganz gleich welche, stets so gut oder schlecht ist, wie derjenige, der sie führt«, versuchte Zalari seinen Freund zuversichtl i cher zu stimmen. »D as heißt, wenn ich nur gut genug bin, kann ich auch mit einem Zahnstocher in den Kampf ziehen? « Ein Lachen u n terdrückend, schüttelte Zalari den Kopf. »Ich bin mir sicher, dass dein Falke diese Entscheidung nicht ohne Grund getroffen hat. « »Da bin ich mir nicht so sicher. Was genau soll ich denn mit diesem Stück Holz anfangen? Ich werde damit nicht einen Schwertstreich abwehren kö n nen, ohne dabei Schaden zu nehmen. « »Dann musst du eben herau s finden, wie du es stattdessen einsetzen kannst. « »Du hast leicht reden«, meinte Nalig verdrossen und betrachtete den Bogen, der neben Zalaris Bett stand. »Im Grunde ist mein Bogen auch nicht mehr als ein Stück Holz. Schwerter kann ich damit ebenso wenig abwehren. « »Ich würde jederzeit mit dir tauschen. « »Warum fragst du dann nicht Jiro, ob man aus dem Ast einen Bogen fertigen kann? « »Glaubst du, das ist mö g lich? « , fragte Nalig hoffnungsvoll und blickte auf. »Einen Versuch ist es wert. «
Schon vor dem Frühstück stand Nalig am nächsten Morgen in der Schmiede. Jiro drehte den Ast in den Händen und begutachtete ihn genau. »Das ist das Holz einer Goldzeder, ein Baum, der nur hier auf Kijerta wächst. Ausgesprochen stabil, daher benutze ich es oft, um Axt- oder Schwertgriffe zu fertigen. « »Glaubt Ihr, es ist möglich einen Bogen daraus zu fertigen? « , fragte Nalig den grimmigen Schmied, der jedoch den Kopf schüttelte. »Auf keinen Fall. Dazu ist es nicht bie g sam genug. Aber schön gerade gewachsen. « Damit gab Jiro dem Ju n gen den Ast zurück. »Du solltest ihn Kaya zeigen«, rief er ihm nach, als Nalig schon auf dem Weg zum Tempel war. Er achtete möglichst wenig auf Greons skeptische Blicke, als er seinen Ast in den Speisesaal trug und ihn dort an die Tischkante lehnte. Arkas sah Nalig fragend an und so teilte er ihm so leise er konnte mit, was es damit auf sich hatte.
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