Die Insel der Krieger
Zwar sah Arkas belustigt aus, verkniff sich Nalig zuliebe aber ein L a chen. Nach dem Essen ließ er die anderen hinausgehen und fing Kaya ab, um ein Gespräch unter vier Augen mit ihr zu führen. Heute folgte der weiße Löwe ihr wieder auf Schritt und Tritt und zeigte keine Au f fälligkeit, die erklärte, weshalb er dies am Tag zuvor nicht getan hatte. »Ich muss mit Euch sprechen«, hielt Nalig die Göttin davon ab, den Raum zu verlassen. »Worüber? « »Mein Falke hat gestern eine Waffe für mich gewählt. « »Tatsächlich? « Kaya musterte ihn mit offenkundiger Neugier. »Wo hast du sie? « Nalig hob den Goldzedernast hoch. A n ders als erwartet war Kaya keineswegs überrascht, geschweige denn schockiert. Sie nickte und lächelte ihr wissendes Lächeln. »Wie kam es dazu? « Nalig berichtete auch ihr von der Attacke des Luchses. O b gleich er den Vorfall nur grob und möglichst emotionslos schilderte, schien die Göttin beeindruckt. »Offenbar hast du seit dem Tag eures ersten Aufeinandertreffens einiges begriffen. Ihm das Leben zu retten, war der größte Beweis des Vertrauens, den du deinem Begleiter entg e genbringen konntest. Ein Krieger kann ohne sein Begleittier leben. Das ist umgekehrt nicht der Fall. Mit dieser Tat hast du das Band zwischen euch gestärkt. Dieser Stab verbindet euch. Er ist nun viel mehr als eine gewöhnliche Waffe, die ein Mensch nach seinen Vorste l lungen fertigt. « »Ich werde diesen Stock nicht als Waffe benutzen«, protestierte Nalig. Er wusste, dass er sich wie ein trotziges Kind a n hörte. Doch das Gefühl, dass ihm erneut Unrecht geschah, machte ihn wütend. »Aber das hast du doch schon. Und zwar mit Erfolg. « »Das ist etwas anderes. Ich hatte nichts zur Hand, was ich stattdessen hätte benutzen können. Ihr sagtet, er würde irgendwann eine Waffe aus der Waffenkammer für mich aussuchen. « Statt zu antworten wandte die Göttin sich ab. »Komm mit, ich werde dir etwas zeigen, das dich vie l leicht tröstet. « Nalig folgte ihr über die Gänge und Treppen des Te m pels. »Auch wenn du es vielleicht nicht einsiehst, ist diese Waffe etwas ganz Besonderes. Die Begleittiere wählen die Waffe für ihren Krieger, die am besten zu ihm passt. Ich kann verstehen, dass der Gedanke dich kränkt, dass dies in deinem Fall ein scheinbar nutzloses Stück Holz sein soll. Aber indem du deinen Falken damit verteidigt hast, hast du mit diesem Stab mehr vollbracht als mit jeder anderen Waffe. Glaube mir, wenn ich dir sage, dass auf dieser Insel nichts ohne Grund geschieht. Vielleicht erkennst du nur den Sinn noch nicht. « Diese Worte hatten für Nalig nichts Beruhigendes. Da er der Göttin gefolgt war, ohne auf den Weg zu achten, stellte er überrascht fest, dass sie ihn zu ihrem Zimmer geführt hatte. Sie traten ein und während Kartax seinen Platz auf der Liege einnahm, legte die Göttin einen langen, in Samt eingeschlagenen Gegenstand auf ihren Schreibtisch. »Das ist die Waffe meines Vaters«, erklärte sie und schlug das Tuch beiseite. »Sein Begleittier wählte den Ast einer Silberweide zu seiner Waffe und ich versichere dir, er stand den Göttern, die mit Klingen aus Metall kämpften, in nichts nach. « Nalig trat näher und betrachtete den Stab. Das Holz war gerade und glatt. Ein feines Muster war hineingeschnitzt und in das obere Ende, das ein klein wenig dicker war als das untere, war ein roter Stein mit goldener Fassung eingelassen »Mit dieser Waffe kämpfte mein Vater für die Menschen und besiegte außerdem das Grauen, das alle Götter vertrieben hatte. Du siehst also, welche Waffe du führst, ist nicht entscheidend. Wichtig ist, was du damit vol l bringst. « Nalig befühlte ehrfürchtig das Muster im Holz. In Mariks Tagebuch hatte er über die Heldentaten gelesen, die er im Kampf vollbracht hatte. Leider hatte er nicht erwähnt, dass die Waffe, die er dabei benutzt hatte, ein einfacher Stab aus Holz war. Der Junge dankte der Göttin für diese Erklärung und eilte mit seinem Ast aus dem Zimmer. »Dann hast du dir dabei also tatsächlich etwas gedacht? « , murmelte Nalig seinem Falken zu, während er die Treppe im Lau f schritt nahm. Nun, da er wusste, dass Mariks Familie sich in Serefil niedergelassen hatte, und er somit ein entfernter Verwandter des Go t tes war und dass jener mit der gleichen Waffe gekämpft hatte, konnte er diese Parallele nicht für einen Zufall halten. »Ich frage mich nur, was genau du damit bezweckst. « Der Vogel flog von Naligs Schulter und
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