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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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hatte, noch erkennen. Wenn man sie überhaupt
Kinder nennen konnte, waren es doch die Dämonengötter, die uns der Himmlische
Meister beschrieben hatte.
    Ich hielt den Atem an und
trat unwillkürlich einen Schritt zurück, als ich das alte, flammenschleudernde
Männlein, den mörderischen Tanzmeister und den körperlosen Hundekopf erblickte.
Jedoch nicht die acht monströsen Kinder waren Gegenstand der Verse, sondern das
neunte, der Junge, der mit menschlicher Gestalt geboren war und dessen einzige
gottähnliche Eigenschaft seine Schönheit war. Mit funkelnden Augen las Meister
Li die Strophen, die das Heranwachsen und die Triumphzüge des Jungen
beschrieben, bis er als junger Mann zum Gefährten eines Königs berufen wurde.
Kein Held war dem tapferen Edelmann gewachsen, keine Frau konnte ihm
widerstehen. Eines Tages ritt er in die K'un-lun-Berge, wo eine mächtige Göttin
hausen sollte, und das nun sind seine Worte:
    »Bambusduft erfüllt
diesen einsamen Ort;
    Langhaariges Gras weint
Tau.
    Hohe Bäume bilden einen
verschlungenen Tunnel,
    Die Sonne zu verhängen
mit roten Rosen,
    Deren Dornen sich in den
Wolken verfangen.
    Trunkenes Schilf tanzt
im Spiegel des Teichs,
    Neckt die Schatten des
Himmels;
    Dracheneier brechen
sprudelnd durch die Fluten empor -
    Oder spucken die Fische Perlen ? -
    Und in der Tiefe liegt
die Königin auf ihrem meergrünen Kissen.
    Königin, leg deinen
Mantel aus Feigenblättern an und deinen
    Hasenflaumgürtel,
    Steig auf zu deinem
Reich in den Spalten der Felsengipfel,
    Komm mit Kämmen aus
Regenbögen und Augen strahlend vor Lachen,
    Des Nichtstuns
überdrüssig, auf der Suche nach einem Traum -
    Oh, Königin der Seen,
Herrin der Berge, komm und suche mich ! «
    Der Edelmann wurde noch nie
abgewiesen und wird es auch diesmal nicht. Müßig, gelangweilt, begierig nach
Zeitvertreib, antwortet ein Wesen, bei dessen Anblick weise Männer vermutlich
kopflos die Flucht bis in den verstecktesten Winkel der Welt ergriffen hätten,
dem vorwitzigen Sterblichen:
    In einer Kutsche aus
Magnolienblüten, das Banner aus Kassia gewebt,
    Der Mantel aus
Steinorchideen, der Gürtel aus Haselwurz Und mit dreiblütiger Iris gesäumt,
    Treibt sie lohgelbe
Leoparden, führt große gestreifte Luchse -
    Donner knurrt und
grollt! Blitze spalten den Himmel!
    »Ich werde ein weiches
Bergnest bauen
    Für einen hübschen
Knaben mit der Pfirsichröte vor Stolz.
    Die Wände aus Iris, die
Kammer aus purpurnem Stein,
    Aus Pfefferblüten wird
der Eingang sein,
    Pfeiler aus Kassia, aus
Wildpflaumen die Balken,
    Lilienbaumschwellen, Ein
Raum aus Lotosblüten, mit weißen Ziegeln gedeckt, Und ein Wandschirm aus
Honigklee. Ein süßer Hauch aus Chrysanthemen auf dem Boden, Herbstorchideen mit
Blättern, die aus grünen und roten
    Stengeln sprießen. Und
tausend andere Blumen werden den Garten erfüllen .«
    Wie überall, wohin er
kommt, gewinnt er ihre Gunst, und schließlich gestattet ihm die Göttin, ihren
Wagen zu benutzen, um die Pfirsiche der Unsterblichkeit für ein Festmahl zu
holen. Auf dem Heimweg kommt er mit seinem Gespann feuriger Drachen an Jupiter
vorüber, um den unaufhörlich der Ring aus Schädeln kreist, die die Zeit messen.
    Der Kopßchmuck des edlen
Jünglings ist mit Mondperlen übersät,
    Sein Regenbogengewand
läßt den Himmel erstrahlen;
    Ein Umhang, aus Kometen
gewoben, ein Gürtel aus verlorenen Sternen,
    In seiner Scheide blitzt
hell ein Sonnenstrahl.
    »Wer nichts wagt, kommt
um !« ruft er dem Stern der Zeit entgegen
    Und streift mit seinem
Schwert einen Schädel:
    »Es vermodert, wer nicht
nach oben strebt !«
    Der Jüngling ißt vom
Pfirsich der Königin
    Und gewinnt das Leben,
so ewig wie Himmel und Hölle.
    Der junge Mann ist
geblendet von seinem Neid auf die Unsterblichkeit, und als die Natur vor
Entsetzen schaudert, sieht er darin einen Freudentanz. Er ist betäubt, und als
der Chiao-ming-V ogel seinen warnenden Ruf ausstößt, hört er darin
einen Lobgesang. Er ist irrsinnig geworden, und während er die Drachen zu immer
rasenderer Jagd antreibt, erhebt er die Peitsche gegen jeden kleinen Stern, der
ihm im Weg sein könnte.
    Einsam auf dem Gipfel
ihres Reichs
    Steht die Königin der
Seen und Berge.
    Schwere Wolken knien vor
ihr,
    Grau und finster drohend
    Ersticken sie silberne
Mondstrahlen,
    Während die Königin dem
Donner befiehlt,
    Mit seinem Grollen ein
Pfad für ihre Füße zu sein,
    Tigeraugen wandern zu
einem Streifen am Himmel;
    Tigerzähne werden
gebleckt, Tigerkrallen

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