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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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ihn
jemand nach verwertbaren Papieren durchsuchte, bevor er hinausging .« »Dann gehen wir also zur Höhle zurück und suchen Ma Tuan
Lins Arbeitsplatz ?« fragte Yen Shih. »Ganz genau.«
    Der Puppenspieler sagte
nichts, aber tief in seinen Augen tanzten die wohlbekannten kleinen Funken. Ich
half ihm, die Schneise im Gestrüpp, das den Tunneleingang verbarg, wieder zu
öffnen, dann traten wir hinein und zündeten unsere Fackeln an. Soweit ich sehen
konnte, war der Gang seit unserem letzten Besuch nicht mehr betreten worden,
was leicht zu erkennen war, da dort, wo man ein Stück von der Wand abgeschlagen
hatte, immer noch weißer Staub auf dem Boden lag, der keine frischen
Sandalenspuren aufwies. Wir stiegen den Pfad zum See hinunter. Ich hörte nichts
weiter als das Geräusch des Wassers, das von der Decke tropfte und meinen
eigenen hämmernden Herzschlag. Dann begann der Weg zum Kohlenhügel hin wieder
anzusteigen. Als wir uns der Höhle näherten, hörte ich ein Geräusch, das bald
als Gelächter zu erkennen war, und zwar das Gelächter von Männern, die einen
Sieg davongetragen haben über die Probleme, die die Menschen als Erbe mit sich
herumtragen, indem sie in die bestialischste Barbarei zurückgefallen sind. Ich
kann es nicht beschreiben: entweder man kennt diesen Ton, oder man kennt ihn
nicht. Wir löschten unsere Fak-keln. Je näher wir kamen, um so lauter wurde das
Lachen, und als wir in die Höhle spähten, sahen wir zehn Männer um einen Tisch,
die gebratenes Fleisch zum Frühstück aßen. Hundeknochen lagen auf dem Boden
verstreut, Hundefett triefte ihnen über das Kinn, und sie grölten unter
brüllendem Gelächter eine Zote nach der anderen. Die drei Wortführer der Gesellschaft
waren uns nur zu gut bekannt: Wildschwein, Hyäne und Schakal, die drei Männer,
die den kleinen Buchhalter so grausam ermordet hatten. Ich nahm zur Kenntnis,
daß alle Männer Dolche trugen, und neben den Anführern lehnten drei Armbrüste
am Tisch.
    Sie waren so beschäftigt
mit ihrem schmierigen Hundefleisch und den noch schmierigeren Witzen, daß sie
nichts sonst bemerkten. Meister Li schlüpfte, ohne zu zögern, in die Höhle und
kroch zwischen den Kistenstapeln herum. Ich folgte ihm mit Yen Shih. Mehrmals
wechselte Meister Li die Stellung und betrachtete immer wieder prüfend die
Decke und die Winkel der Wände, um die Akustik zu beurteilen, dann befahl er
uns im Flüsterton, kleine Steine zu sammeln und uns so zu postieren, daß wir
sie im Schutz dunkler Schatten durch den Tunneleingang zurückwerfen konnten.
Auf sein Zeichen hin warfen wir unsere Steine, und das Prasseln bewirkte, daß
die Männer im Raum die Köpfe herumrissen und zum Tunnel hinüberblickten.
    Meister Li legte die Hände
wie einen Trichter um den Mund. Er hat schon oft versucht, mir dieses
Kunststück beizubringen, aber ich habe keine Begabung für solche Dinge, obwohl
mir klar ist, daß das Geheimnis zu neunzig Prozent darin besteht, die
Aufmerksamkeit des Zuhörers auf die Stelle zu lenken, von der das Geräusch
scheinbar kommt. Der Effekt war wirklich bemerkenswert. Eine hohe, zittrige
Stimme schien aus der Schwärze des Tunnels zu hallen, eine Stimme, die Yen Shih
zwar noch nie gehört hatte, an die ich mich jedoch sehr gut erinnerte.
    »Gebt... mir... meine...
Ohren... wieder«, heulte die unheimliche Stimme des ermordeten Buchhalters.
    Die Verbrecher erstarrten,
Hundeschenkel und Keulen halb abgenagt zwischen den Zähnen. Hyäne spuckte einen
Brocken Fleisch auf den Tisch und fuhr zu Wildschwein herum. »Das war die
Grille, so sicher, wie du hier vor mir sitzt«, flüsterte
    Einer der anderen Männer
sprang auf. Dabei stieß er einen Weinkrug um und riß eine Platte zu Boden.
    »Grille? Grille? Ihr habt
doch gesagt, ihr hättet den elenden kleinen Kerl umgebracht !« brüllte er.
    »Gebt... mir... meine...
Nase... wieder.«
    Schakal erhob sich mit
fahlem Gesicht und griff nach seinem Dolch.
    »Das ist der Geist der
Grille«, stieß er tonlos hervor. »Die kleine Wanze ist zurückgekommen, um sich
an uns zu rächen .« Alle anderen waren jetzt
aufgesprungen und warfen sich gegenseitig hilfesuchende Blicke zu. Nur
Wildschwein war an seinem Platz am Kopfende der Tafel sitzengeblieben und nagte
an einem Knochen.
    »Geist? Hat dir deine
Mutter denn nicht mehr beigebracht ?« grinste er höhnisch.
»Weißt du nicht, daß ein Toter drei Jahre in der Hölle bleiben muß, bevor er
als Geist zurückkehren kann ?« »Was zum Teufel war das
dann ?« schrie

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