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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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Besuch ab.
    Ochse, vergiß nicht, daß der Spitzel im Haus des Himmlischen Meisters vielleicht in Erfahrung
gebracht hat, daß Yen Shih und seine Tochter uns geholfen haben. Und es kann
sehr ungesund sein, uns zu helfen .«
    Yen Shih war erfolgreich in
seinem Metier, und so war sein Haus groß und behaglich, wenn es auch auf der
falschen Seite des Goldfischteichs südöstlich der Brücke des Himmels lag. Der
Vorplatz war menschenleer, und mir wurde das Herz schwer, bis ich von der
Rückseite des Hauses Hammerschläge und fröhliches Pfeifen vernahm. Wir fanden
Yen Shih bei seinem Wagen neben dem Stall. Er hämmerte im Schein einer Laterne
am Mechanismus für eine neue Puppe.
    »Yu Lan ist wieder in
Schamanenangelegenheiten unterwegs, und ich konnte nicht schlafen«, erklärte
er, nachdem er uns begrüßt hatte. »Sie wird die ganze Nacht fortbleiben.
Irgendwelche interessanten Neuigkeiten?«
    Meister Li berichtete in
kurzen Worten, was passiert war, und Yen Shih hing gebannt an seinen Lippen.
Wie ich schon erwähnt habe, konnten seine furchtbar entstellten Züge keine
normalen Gefühle ausdrücken, aber seine Augen und sein Körper waren sehr
beredt. Er wurde wütend, als Meister Li von dem eigenartigen Mordplan
berichtete, und er konnte seinen Zorn kaum beherrschen, als er vom Schicksal
der kleinen Närrin hörte. »Ihr sagt, daß es nicht diese drei Tiere waren, die
sie umbrachten«, sagte er scheinbar ruhig. Doch seine Hände zitterten vor
Verlangen, jemandem die Gurgel umzudrehen. »Wer war es dann ?«
    »Wir werden gleich hingehen
und mit ihm darüber reden, wenn du mitkommen möchtest«, entgegnete Meister Li.
»Es gibt dort noch etwas, das ich erledigen möchte, es wird also ein Weilchen
dauern .«
    »Ich habe die ganze Nacht
Zeit«, erklärte Yen Shih finster. Bald darauf nahm er auf dem Kutschbock neben
mir Platz. Eine halbe Stunde später betraten wir einen düsteren Raum in einem
noch düstereren Turm am Ende der Klagemauer hinter dem Richtblock auf dem
Gemüsemarkt. Teufelshand war rot angelaufen, in Schweiß gebadet und betrunken.
Als er Meister Li einen Krug hinüberschob, schwappte der Wein auf den großen
Holztisch.
    »Eine höllische Zeit, in
der wir leben, Kao«, brummte er. »Die ganze Welt ist verrückt geworden.
Ungeheuer tauchen auf und verderben mir meinen Schlag, die Schwerter verzeihen
mir nicht, daß ich danebengeschlagen habe, die Leute lassen mich grauenvolle
Befehle ausführen, und ich muß-hör nur! Hör sie dir an! So geht es nun schon,
seitdem mir dieser Vampir den Rekord vermasselt hat !« Hör dir die Schwerter an, hatte er gemeint, und mir gefror das Blut in den Adern,
als ich das harte, höhnische Klirren des Stahls vernahm. Der oberste
Scharfrichter von Peking hat die vier größten Schwerter, die es je in der Welt
gab, in seiner Obhut: Erster bis Vierter Gebieter, Kinder der inzestuösen
Verbindung zwischen dem männlichen Schwert Gan-jiang und seinem
Schwesterschwert Mo-ye, die aus Leber und Nieren des sagenumwobenen,
metallfressenden Hasen des Kun-Lun-Gebirges geschmiedet waren. Wenn sie nicht
in Gebrauch sind, hängen die Schwerter an Samtbändern in einem kleinen Turmgemach,
dessen Fenster auf den Richtblock hinausgeht, und in stürmischen Nächten hören
die Leute, die an der Klagemauer vorübergehen, wie die Klingen von ihren
blutigen Triumphen singen. Auch jetzt sangen sie ihr spöttisches Lied, und der
Scharfrichter vergrub das Gesicht in den Händen.
    »Mach, daß sie aufhören,
Kao, ist das nicht möglich? Sag ihnen, daß es nicht meine Schuld war, daß ich
nicht getroffen habe. Ich wollte keine Schande über sie bringen«, schniefte
Teufelshand. »Natürlich nicht«, sagte Meister Li. »Du hast vergessen, daß man
sich an Königliche Hoheiten schriftlich wenden muß; nur Personen von gleichem
Rang dürfen Prinzen direkt ansprechen. Ochse, denk an
deine Manieren und bitte um die Erlaubnis, dieses Gnadengesuch vorlesen zu
dürfen. Ich bin sicher, daß die Schwerter unserem Freund vergeben werden .«
    Er kritzelte ein paar Worte
auf einen Zettel und gab ihn mir, worauf ich die Treppe hinauf zu der kleinen
Turmkammer trabte, in der die mächtigen Schwerter an Haken hingen. Dort faltete
ich den Zettel auseinander.
    »Mach das gottverdammte
Fenster zu .«
    Die blitzenden Klingen
schabten mit leise knirschenden Geräuschen an der Mauer hinter mir. Mit einem
Schaudern blickte ich aus dem Fenster, das einen Spalt offenstand, auf den
Richtblock hinunter, und als ich es

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