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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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packten
meinen Kopf und zwangen meinen Mund auf, eine scharfe Säure brannte ein Loch
durch meine zusammengeschnürte Kehle. Meine Lunge füllte sich plötzlich mit
Luft. Ich atmete tief und gierig ein, würgte und setzte mich auf. Gleich darauf
begriff ich, daß die Säure in meinem Mund Zitronensaft und die dunkle Gestalt
über mir Meister Li war.
    »Ihm nach, Ochse!«
    Das unheimliche Kind hatte
sich in einem Pflanzengewirr verfangen, aber jetzt war es wieder frei, riß den
Käfig an sich und rannte hastig zur Tür. Ich konnte es unmöglich erreichen -
meine Beine bemühten sich, zu laufen, gaben den Versuch jedoch wieder auf -,
aber dicht neben mir lag ein schwerer, mit Erde gefüllter Blumentopf. Ich griff
danach, schleuderte ihn dem Kind nach, so fest ich konnte und bereute es gleich
darauf.
    »Ich wollte seine Beine
treffen«, keuchte ich.
    »Es ist eine gute Leistung,
daß du überhaupt getroffen hast«, tröstete mich der alte Mann. -
    Er würde keine Autopsie
vornehmen müssen, um zu erkennen, was geschehen war, als der Topf mit voller
Wucht am Hinterkopf des Kindes zerschellte. Wir konnten die Knochen splittern
hören, und noch bevor der Körper auf dem Boden aufkam, wußten wir, daß Meister
Li diesem Geschöpf keine Fragen mehr würde stellen können . Ich erhob mich mit wackligen Knien, ging hinüber und betrachtete das am Boden
liegende Kind. Die Perücke aus herrlichem Haar war fünf Fuß weit weggeflogen,
und eines der falschen Ohrläppchen war abgerissen. Rote Augen starrten blicklos
zu uns auf. »Irgendein Mittel, das so wirkt wie eine Bindehautentzündung«,
bemerkte Meister Li sachlich. »Ich erkenne ihn wieder. Einer der Zwerge, die
die Eunuchen in der Verbotenen Stadt unterhalten, und ich glaube, mich zu
erinnern, daß ich ihn in der Begleitung von Li der Katze gesehen habe.«
    Er hob den
heruntergefallenen Käfig auf und schwenkte ihn hin und her.
    »Jemand hat sich
schrecklich viel Mühe gemacht«, sagte er. »Als wir den Käfig aus dem Kasten
nahmen, setzte eine Feder eine Wolke von einer Substanz frei, die aussah wie
Dampf. War es aber nicht. Es war ein Puder, das aus Yuan ha gewonnen
wird. Die Barbaren nennen es Spanischen Flieder, und er ist mit Lorbeer und
Seidelbast verwandt. Er enthält ein ungeheuer starkes Reizmittel, das den
Kehlkopf so sehr beeinträchtigen kann, daß die Luftzufuhr unterbrochen wird,
und da das Opfer sich unwillkürlich an den Hals greift, sieht es so aus, als
würde es sich selbst strangulieren. Ein Gegenmittel ist die Zitronensäure, und
wir hatten wirklich Glück, daß hier zwischen den Orchideen ein Zitronenbaum
wächst .« Der Weise blickte zornig auf den winzigen
Leichnam hinunter. »Aber wozu eine so lächerlich komplizierte Mordverschwörung ?« fragte er, ohne eine Antwort zu erwarten. »Es hätte
tausend sicherere Methoden gegeben, uns ins Jenseits zu befördern. Auf diese
Weise haben wir lediglich erfahren, daß Li die Katze einen Spitzel im Hause des
Himmlischen Meisters hat. Jemand hat die Nachricht an mich gelesen und
versucht, uns eine Falle zu stellen. Wir sollten besser sehen, ob sie dem
Himmlischen Meister selbst nicht etwas angetan haben .«
    »Ja, Meister«, sagte ich
und bückte mich. Er hüpfte auf meinen Rücken, und ich stürmte im Galopp davon.
    17
    Wir machten gerade so lange
Pause, daß Meister Li den Ton aus seinem Gesicht entfernen und sich wieder
frisch machen konnte. Dann lenkte ich den Eselswagen in die Einfahrt zum Haus
des Himmlischen Meisters. Als ich sah, daß es im Hof nur so wimmelte von
Soldaten der Schwarzen Wache, wie die Miliz genannt wurde, deren Aufgabe die
Bewachung bedeutender Eunuchen in der Verbotenen Stadt ist, sank mir der Mut.
Offensichtlich war irgend etwas Schlimmes geschehen.
Meister Li aber verlor keine Zeit. Er kletterte ohne Umstände aus dem Wagen,
schrie Befehle nach rechts und links, als wäre er gekommen, um die Sache in die
Hand zu nehmen, schritt auf die Tür zu, und wir betraten das Haus wie
siegreiche Generäle.
    Als wir im Innenhof
anlangten, wurde eben ein Leichnam auf einer Bahre hinausgetragen. Ein Fuß
lugte unter einem Umhang hervor. Es genügte mir, um zu erkennen, daß es nicht
die Leiche des Himmlischen Meisters, sondern die einer Frau war, und dann wurde
mir plötzlich klar, um wen es sich handelte. Der Fuß steckte in einem albernen
bestickten Pantöffelchen mit einem Muster von Streifenhörnchen, die durch eine
Blumenwiese hüpften, und in Gedanken sah ich das junge Mädchen vor mir,

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