Die Insel der Mandarine
Reiswein bereitet. Ich reiche sie gern vor Su Tung-pos Karpfen,
einem ausgesprochen einfachen Gericht, wie es sich für die Schöpfung eines
Genies gehört. Man wäscht den Karpfen bloß in kaltem Wasser, füllt ihn mit
Kohlherzen, reibt ihn mit Salz ein, und dann...«
»Wirt Tu«, unterbrach ihn
Meister Li, »jeder der Acht Gelehrten Herren trug...«
»... brät man ihn mit
Zwiebeln in der Pfanne. Wenn er halb gar ist, fügt man ein paar Scheiben Ingwer
und schließlich etwas Orangenschale und Kürbissoße hinzu. Su Tung-po ist auch
der Erfinder des Armer-Mann-Salats, der hervorragend zu dem Karpfen paßt:
Sungkohl, Kohlraps, wilder Daikon und Hirtentäschel. Man füge ein bißchen...«
»Wirt Tu...«
»... Reis und etwas
kochendes Wasser hinzu, und schon wird eine Suppe daraus, allerdings muß man
sehr vorsichtig sein mit dem Wasser. Der große Chia Ming schrieb in seinem Werk
»Grundlagen des Essens und Trinkens, daß das Wasser für die
Armer-Mann-Suppe aus Schnee oder Eis gewonnen sein muß, alles zusammen mit
einer Hühnerfeder im Topf geschmolzen. Eine Enten- oder Gänsefeder zu benutzen,
würde zu Magenkrämpfen führen, die man sich, wie er schrieb, auch zuziehen
kann, indem man Schweinefleisch, Aal oder Bachschmerle über Maulbeerholzfeuer
brät. Und beim Thema Spinat geriet Chia Ming ganz außer sich .« »Wirt Tu! Die Acht Gelehrten Herren trugen Käfige, mit deren Hilfe sie
gelegentlich miteinander kommunizierten, aber ich glaube, sie enthielten
außerdem irgend etwas , worüber acht Dämonengottheiten
zu wachen hatten. Erzählt man sich in deinem Volk etwas darüber ?« warf Meister Li ein.
»Ja, ja, o ja, Käfige -
meine Güte, ja. In den Käfigen befanden sich die Schlüssel .«
»Die Schlüssel wozu?«
»Die Schlüssel zu der
Musik, die zu Wasser wurde, natürlich. Die Wächter sollen sehr eigenartig
gewesen sein und fast so gefährlich wie Spinat, von dem Chia Ming sagte, daß es
eine fremdartige Pflanze sei, die aus Nepal, einem unangenehmen, von
heimtückischen Menschen bewohnten Land, eingeführt wurde. Spinat ist von
kalter, schleimiger Beschaffenheit, und wenn man ihn ißt, bekommt man zittrige
Knie und Magenverstimmung. Wenn junge Hunde oder Katzen Spinat fressen, knicken
ihnen die Beine ein, so daß sie nicht mehr laufen können. In diesem Fall kann
man die Hunde immer noch für k'eng hsien verwenden, das Schmorgericht,
das Konfuzius so liebte, daß er es im Buch der Sitte aufnahm, aber ich weiß
wirklich nicht, was man mit einer Katze mit eingeknickten Beinen anfangen
soll.« »Wirt...«
»Außer natürlich, es
handelt sich um eine säugende Mutterkatze. Ich habe gelesen, daß der Kindkaiser
Ching Tsung versessen war auf Klarer-Wind-Reis, der aus Reis,
Drachenhirn, Pulver vom Augapfel des Drachen und Katzenmilch besteht, aber um
die Wahrheit zu sagen, glaube ich, daß Katze ein Schreibfehler ist
-abgesehen davon könnte es ein gefährliches Gericht sein, wenn es sich um eine
weiße Katze handelt, weil weiße Katzen nämlich auf Dächer klettern und
Mondstrahlen essen, und das kann bei den Menschen zum Wahnsinn führen.
Natürlich essen die Leute im Süden Katzen und alles mögliche andere, dort essen
sie sogar riesige Wasserw...«
»Wirt Tu!« brüllte Meister
Li. »Die acht Dämonengottheiten, die die Schlüssel in den Käfigen bewachten,
hatten einen in menschlicher Gestalt geborenen Bruder, aus dem ein großer
Edelmann wurde. Weiß dein Volk irgend etwas über ihn ?«
»Einen Bruder? Ich wußte
nicht, daß sie einen menschlich geborenen Bruder hatten. Sie waren höchst
merkwürdig, und ein Bruder hätte bestimmt ausgesehen wie die riesigen
Wasserwanzen, die sie im Süden essen. Angeblich sollen sie wie Hummer
schmecken, aber in Wirklichkeit schmecken sie wie überreifer Weichkäse, und sie
werden mit getrockneten Regenwürmern serviert, die nur nach Salz schmecken. In
Hupeh im Süden ißt man das geröstete Fleisch der Weißblüten-Kettenviper und
geschmorte Murmeltiere, und in Lingnan gelten Rattenjunge als Delikatesse.
Honigpiep-ser werden sie genannt, weil man die kleinen Viecher erst mit
Honig vollstopft und dann auf der Festtafel freiläßt. Sie krabbeln darauf herum
und machen Piep-piep-piep, bis die Speisenden sie am Schwanz hochheben,
in den Mund fallen lassen und roh essen. In den vornehmeren Häusern werden die
Tiere passend zum Geschirr mit Pflanzenfarbe ein gefärbt: smaragdgrüne kleine
Ratten zum Beispiel, die um purpurrote Porzellanschüsseln herumpiepsen,
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