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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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seine Seele blieb kalt. Er vermochte kein Mitleid mit ihr zu empfinden. Jetzt nicht mehr.
    »Ich verzeihe dir.« Er lachte auf, ein bitteres Bellen. »
Ich
habe ja überlebt.«
    Impulsiv legte sie ihre Hand auf seinen Arm. Es kostete ihn enorme Anstrengung, ihn nicht fortzuziehen. Ihre Berührung war ihm unerträglich. »Ich habe jeden Tag gebetet, dass du es schaffst.« Sie zögerte. »Wann kommst du nach Hause?«
    Er riss sich vom Anblick der schrecklichen grüngefärbten Sonne los. »Was bringt dich auf den Gedanken, dass ich zurückkomme?«
    »Du gehörst doch nicht hierher. Du musst zu mir und Oscar zurückkehren. Jetzt, da Johanna nicht mehr zwischen uns steht, können wir neu anfangen.«
    »Johanna hat nie zwischen uns gestanden«, sagte er heftig.
    Sie zog die Schultern ein wie ein geprügelter Hund. »Ich dachte doch nur …«
    »Es ist zu spät. Ich werde mich von dir scheiden lassen.«
    »Wie bitte?«
    »Du hast richtig gehört. Ich wünsche, dass du nach England zurückgehst. Es wird dir dort an nichts fehlen. Das Haus überschreibe ich dir, und du wirst eine großzügige monatliche Abfindung erhalten. Du bist immer noch eine schöne Frau. Solltest du dich neu vermählen wollen, werde ich dir nicht im Weg stehen.«
    Sie rang um Fassung. »Und Oscar?«
    »Er bleibt vorerst bei mir. Ich werde alles in meiner Macht Stehende unternehmen, aus ihm doch noch einen anständigen Menschen zu formen.«
    Amelia sprang auf. »Ich lasse nicht zu, dass du mir auch noch das letzte Kind nimmst!«, schrie sie. In der Spanne eines Wimpernschlags schlug ihre Demut in wilden Hass um. Henry wusste, wie sehr sie unter dem Tod der Kinder gelitten hatte. Dass auch er an dem Kummer beinahe zerbrochen war, hatte sie nie interessiert. Er hob die Hand, um ihren Widerspruch zu unterbinden. »Es ist beschlossene Sache. Und jetzt geh. Ich werde mich in den nächsten Tagen bei dir melden.«
    Mehrmals öffnete Amelia den Mund zu einer Antwort, doch sie blieb stumm. Die Fassungslosigkeit stand ihr ins Gesicht geschrieben. Schließlich drehte sie sich um und ging ohne ein weiteres Wort.
    Als ihre Schritte verklangen, begrub er das Gesicht in den Händen. Tränen bahnten sich den Weg zwischen seinen Fingern hindurch. Der Tod hatte ihm alle genommen. Seine Kinder. Seinen besten Freund. Seine große Liebe.
    Wie gern wäre er ihnen gefolgt, doch er hatte noch eine wichtige Aufgabe in diesem Leben: Oscar.
    * * *
    Leah lehnte sich gegen die Wand des Versammlungshauses, das ihnen nach einer schier endlos währenden Flucht von den Bewohnern eines Dorfes als Lazarett zur Verfügung gestellt worden war. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal länger als eine halbe Stunde am Stück geschlafen hatte. Seit das Fieber aus ihren Knochen gewichen war, stand sie Lily beiseite. Ihre Tochter versorgte mit bewundernswürdiger Umsicht die Verletzten, die seit Tagen allein oder in kleinen Grüppchen ins Dorf taumelten, Menschen, denen das Grauen ins Gesicht geschrieben stand, Menschen, denen Leib und Seele verbrannt waren, Menschen, die Gott, Allah und den Geistern nicht für ihre Rettung danken mochten, hatten sie doch alles verloren.
    Die Kräuterfrau des Dorfs kam auf sie zugehastet. Bei jedem Schritt wirbelte sie schwarze Staubwolken auf. Selbst hier, zwanzig Kilometer landeinwärts, waren glühende Bimssteinbrocken auf die Erde geprasselt wie Hagel, bedeckte Asche die Bäume und Felder, Häuser und Wege in dicken Schichten, ließ Mensch und Tier husten und keuchen.
    »Nimm«, sagte die Frau und drückte Leah ein Tongefäß in die Hand. »Das ist die letzte Salbe aus meinem Vorrat. Meine Töchter sind schon fort, Kräuter und Rinden zu sammeln, damit ich neue anrühren kann. Habt ihr noch Opium? Soll ich sie dafür in andere Dörfer schicken?«
    »Es wird noch ein paar Tage reichen«, sagte Leah. »Viele sterben.«
    »Ja«, flüsterte die Heilerin. Sie schwankte.
    Leah stützte sie. »Willst du dich hinlegen?«
    Die Frau schüttelte den Kopf. Wegen ihrer nussbraunen Haut sah man den Javanern die Müdigkeit nicht so schnell an wie den Europäern, doch an diesem Morgen konnte die Heilerin ihre Erschöpfung nicht verbergen. Tiefdunkle Schatten lagen unter ihren Augen, schwarze Asche hatte sich in den Falten ihres nicht mehr jungen Gesichts eingenistet.
    »Mein Sohn ist in der Nacht zurückgekehrt«, sagte sie tonlos. »Anjer existiert nicht mehr, alle Küstendörfer sind dem Erdboden gleich. Allah hat der Welt den Rücken gewandt.«
    Leah

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