Die Insel der Orchideen
Lava sprühte in den Himmel. Der Berg machte sich für seinen nächsten Schlag bereit.
* * *
Niemand kam, um sie aus ihrem Gefängnis zu befreien. Johanna arbeitete sich bis zur Erschöpfung an der verkeilten Tür ab, ohne etwas zu erreichen. Sie lehnte sich gegen die massiven Holzbohlen und presste die Fäuste gegen die Schläfen. Sollte sie auf ein weiteres Erdbeben hoffen, oder brachen dann die Wände über ihr zusammen? Sie horchte nach draußen, doch der Tumult hatte eher noch zugenommen und machte alle Hoffnung auf Rettung zunichte. Ergeben setzte sich Johanna auf den Boden und suchte Trost im Gebet, während in den Straßen die Teufel jaulend mit dem Sturm tanzten.
Stimmen! Sie fuhr hoch, schrie. Dann erzitterte das Häuschen unter wuchtigen Schlägen. Johanna wich zur hinteren Wand zurück, Holz splitterte, Männerstimmen brüllten durcheinander, endlich klaffte eine Lücke in der Tür. Einer der Männer zwängte sich hindurch. Johanna sackte vor Erleichterung zusammen. Der Mann zog sie wieder hoch.
»Beeilt euch, verdammt noch mal!«, tönte es von draußen. Bowie! Er war ihr zu Hilfe geeilt!
Die Erde bäumte sich auf, noch schlimmer als zuvor. Der Schuppen ächzte. Der Mann schubste Johanna auf das klaffende Türloch zu, drückte sie nach draußen, Bowies Hände griffen nach ihr, zogen, sie wollte raus, nur raus.
»Schnell.« Bowie keuchte vor Anstrengung. »Der Schuppen kracht gleich zusammen.«
Johanna schrie auf. Eine scharfe Kante riss ihre Wade auf. Verzweifelt drehte sie ihr Bein. Der Span bohrte sich tiefer. Sie biss die Zähne zusammen und befreite sich mit einem Ruck. Bowie zog sie ein paar Schritte fort von der Tür, als auch schon der Schuppen einstürzte. Der andere Mann hatte es nur halb aus der Tür geschafft, seine Beine und der halbe Körper lagen unter Teilen des Daches begraben. Johanna kniete neben ihrem Retter nieder und zerrte eine Attapmatte beiseite. Es war Bertrand, Leahs Mann.
»Mach Platz.« Bowie drängte Johanna beiseite, umklammerte Bertrands Handgelenke und zog mit aller Kraft. Die Sehnen seines Halses traten hervor wie Kordeln. Mit bloßen Händen riss Johanna die Bretter beiseite, Blut tropfte von ihren Händen und Armen, Kiesel prasselten auf sie herab, doch sie war taub für den Schmerz. Hinter ihr ertönte jetzt ein grässliches Knirschen. Bowie hörte es auch, blickte über die Schulter. Fassungslos sahen sie mit an, wie die Wände des Hotels einknickten und das Gewicht des Daches alles niederriss, während Blitze über den Himmel zuckten, der Sturm die Palmen beugte und an ihren Kleidern riss. Weit in der Ferne spie der Vulkan einen weiteren glühenden Strahl in den dunklen Himmel, Steine krachten auf Anjer. Bowie verdoppelte seine Anstrengung. Der Schutt gab nach, Johanna krallte ihre Finger in Bertrands Arm, zog mit all ihrer Kraft. Dann war Bertrand urplötzlich frei. Er rappelte sich hoch.
Johanna sah den Balken zu spät. Der Sturm riss ihn aus der Hotelruine und schleuderte ihn Bowie mit voller Wucht in den Rücken. Der große Mann sackte zusammen.
»Ross!«
Johanna griff unter seine Achsel. Bertrand kam hinzu und nahm den anderen Arm. Zusammen hievten sie ihn hoch, doch seine Beine trugen ihn nicht. Langsam rutschte er wieder zu Boden, seine Gliedmaßen schlaff wie die einer Puppe. Ein entsetzlicher Verdacht keimte in Johanna auf. Zaghaft zwickte sie in Bowies Oberschenkel. Als er keine Regung zeigte, verstärkte sie ihren Druck und bearbeitete seine Beine schließlich voller Panik mit den Fäusten, bis er sie ergriff und mit sanfter Gewalt festhielt. »Ich spüre nichts, Liebes. Du weißt, was das bedeutet.«
»Nein!« Ihr Schrei vermischte sich mit dem rasenden Sturm und verhallte ungehört.
Bowie lächelte müde. »Ich befürchte, mein Rückgrat ist schwer verletzt«, sagte er. »Legt mich unter die Platane dort, vielleicht kann ihre Krone die Steine abhalten. Dann verschwindet von hier.«
Bertrand hockte sich an seine andere Seite. »So einfach werden Sie uns nicht los. Wir binden Sie auf ein Brett und ziehen Sie hinter uns her.«
»Bertrand, hören Sie auf. Sie wissen so gut wie ich, dass es sinnlos ist. Es würde nur Johanna und Sie gefährden.«
Johanna brach es das Herz. Wie hatte sie nur an Bowie zweifeln können? Warum hatte sie nie begriffen, wie er wirklich zu ihr stand? »Ich lasse dich nicht allein.«
Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. »Ach, Johanna. Du warst der Fixstern meines Lebens, um den sich alles drehte.« Er machte
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