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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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zwang sich zu einer aufrechten Haltung. Sie würde sich nicht unterkriegen lassen. Der Vater sollte stolz auf sie sein und Friedrich ebenso.
     
    Am Nachmittag bestiegen Johanna, Leah, Alwine Uhldorff und Lim eine Mietdroschke. Sie trugen ihre beste Abendgarderobe. Selbst Leah hatte sich ohne Murren herausgeputzt, sich sogar Handschuhe von Johanna geliehen, um die Farbränder unter ihren Fingernägeln zu verbergen. Nach einer kurzen Fahrt erreichten sie die Orchard Road. Obstplantagen und Gemüsegärten säumten den Weg, hin und wieder blitzten weiße Bungalows zwischen den Bäumen hervor. Auf der Höhe von Tanglin bog die Kutsche auf den unbefestigten Weg ab, der zu Ross Bowies schönem Haus auf Oban Hill führte. Auf dem Platz davor standen bereits ein knappes Dutzend Fuhrwerke. Lim sprang als Erster aus der Kutsche und half den Frauen hinaus, übergab sie der Obhut von Bowies oberstem Hausdiener und verschwand in Richtung des Küchenhauses, um Erfrischungen für seine Herrinnen zu besorgen. Obwohl alle drei, selbst Alwine, im eigenen Heim einen lockeren Umgang mit Lim pflegten, wahrte er in unausgesprochenem Einverständnis auf Gesellschaften den Abstand.
    Auf dem Rasen hinterm Haus herrschte bereits gute Stimmung. Die Gäste nippten am importierten Champagner, der, wenn auch lauwarm, dem Fest eine mondäne Note verlieh, unterhielten sich angeregt, tupften sich den Schweiß von der Stirn und kommentierten, zumindest die Damen, die Roben der Neuankömmlinge. Mercy und Andrew Robinson waren bereits eingetroffen. Johanna, Leah und ihre Mutter gesellten sich zu ihnen und begrüßten weitere Gäste. Entgegen Johannas Befürchtungen verging der Nachmittag schnell. Mercy war bester Laune und erzählte allen, ob sie es hören wollten oder nicht, von den gewaltigen Entwicklungssprüngen ihrer Zwillingssöhne. Zum Glück hatte sie die drei Monate alten Jungen in der Obhut der malaiischen Ayah zu Hause gelassen, sonst hätte sich wahrscheinlich selbst Mr Blundell, der ehrenwerte Gouverneur von Singapur, über kurz oder lang mit einem tropfenden und schreienden Bündel auf dem Arm wiedergefunden. Alwine Uhldorff schwatzte angeregt mit Freundinnen aus dem Bibelkreis, Leah schlenderte von Gruppe zu Gruppe, wo sie schweigend zuhörte, und nutzte unbeobachtete Momente, um den einen oder anderen Käfer in ihre Botanisiertrommel zu sperren, ohne die sie niemals das Haus verließ. Zu Johannas Erleichterung war Bowie bisher zu sehr von seinen Gastgeberpflichten eingenommen gewesen, als dass er sich über Gebühr um sie bemühen konnte. Jetzt allerdings stiefelte er zielstrebig auf sie zu, mit einem Strahlen in den Augen, das eine unerwartete Welle der Zuneigung in ihr auslöste. Hier war einer, der für sie durchs Feuer gehen würde, obwohl er sich keine Chancen ausmalen durfte. Ross Bowie hatte ihren Respekt verdient. Lächelnd hakte sie sich bei ihm unter und ließ sich ins Haus führen, während die anderen Gäste heiter plaudernd folgten.
    Wenige Minuten später fand sie sich mit Leah, der Mutter, Bowie, den Robinsons und einigen anderen am Tisch wieder. Der überaus geräumige Salon, in dem sie beim Silvesterball getanzt hatten, diente heute Abend als Speisesaal. Johanna staunte über die üppig eingedeckten Tische; Bowie musste über einen unerschöpflichen Vorrat an Porzellangeschirr verfügen, um die etwa fünfzig Gäste so gediegen bewirten zu können. Lim hatte mit den anderen Bediensteten bereits Aufstellung genommen und rückte erst für Alwine Uhldorff, dann für Johanna den Stuhl ab. Bowie komplimentierte Leah zur gegenüberliegenden Tischseite und bot ihr den Platz neben einem hochgewachsenen, etwa fünfunddreißig Jahre alten Mann an. Johanna hatte ihn noch nie gesehen, und auch Leah musterte ihn mit unverhohlener Neugierde. Ein dunkler Vollbart und eine Metallbrille verbargen seine Züge. Er trug dem Anlass entsprechende Kleidung, war jedoch so hager, dass Weste und Sakko an ihm hingen wie an einer Vogelscheuche. Einer dunkelgebrannten Vogelscheuche, um genau zu sein. Obwohl eindeutig Europäer, war er beinahe so braun wie die malaiischen Eingeborenen. Der Mann stellte sich ihnen als Alfred Russel Wallace vor, verstummte dann jedoch, so dass Johanna nur rätseln konnte, was ihn an diese Tafel geführt hatte. Sie fragte leise den neben ihr sitzenden Bowie, doch der bat sie nur mit einem Augenzwinkern, abzuwarten. Was war hier im Gange? Als Heiratskandidat kam der Bärtige nicht in Frage, er war viel zu alt.
    Das

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