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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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Überlebende? Oder hatte das Meer die Brigg verschlungen? Niemand wagte, Johanna in die Augen zu sehen, wenn sie ihre Fragen stellte, zuerst noch laut und wütend, nun leiser und leiser. Es konnte nicht sein,
durfte
nicht sein, dass das Schicksal ihr nach dem Vater auch noch den Verlobten stahl. Ihr Mut sank von Tag zu Tag. Nur ein Wunder konnte ihr Friedrich noch zurückbringen.
    Unterdessen ging das Leben unerbittlich weiter. Leah hatte ihr Versprechen aus der Silvesternacht eingelöst und unterrichtete zweimal wöchentlich die Waisenmädchen im Zeichnen. Ansonsten tat sie sich neuerdings durch Fleiß im Haushalt hervor, so dass Johanna der Schwester keine Vorwürfe machen konnte, wenn sie sich viele Stunden lang für ihre eigenen Zeichenstudien zurückzog oder ausgedehnte Streifzüge durchs europäische Viertel und an der Wasserkante entlang unternahm. Soweit Johanna es beurteilen konnte, war Leah einigermaßen über den Tod des Vaters hinweggekommen, allerdings war sie ihr gegenüber verschlossener als je zuvor.
    Der Gesundheitszustand der Mutter schwankte. Insgeheim war Johanna froh darüber. Singapur zu verlassen, wäre ihr wie ein Verrat vorgekommen, sowohl an Friedrich als auch an ihrem Vater. Manchmal war Johanna über sich selbst erstaunt. Obwohl der Osten ihr bereits zweifaches Leid gebracht hatte, verspürte sie keinerlei Heimweh nach Hamburg. Während die anderen europäischen Frauen über die Hitze klagten und sich nach Englands Nieselregen sehnten, jagte der Gedanke an die klammen Hamburger Winter Johanna eine Gänsehaut über die Arme. Selbst die Erinnerung an ihre wenigen Freundinnen dort erschien grau und blutleer gegen das pralle Leben in den Tropen. Nein, wenn es irgend möglich war, würde sie hierbleiben. Leah erging es ebenso, und erstaunlicherweise schien auch die Mutter nicht nach Deutschland zurückkehren zu wollen. Wann immer die Sprache auf die schwindenden Geldreserven und eine mögliche Rückreise kam, erlitt sie prompt einen Schwächeanfall. Johanna durchschaute ihr Spiel, ohne einen Ton zu verlieren, ärgerte sich allerdings zunehmend über die Besessenheit der Mutter, was Ross Bowie anging. Sie mochte den Schotten, dennoch war ihr seine Aufmerksamkeit, ja, Fürsorglichkeit unangenehm. Er benahm sich untadelig, doch manchmal, wenn er nicht auf der Hut war, sah sie kaum verhohlene Leidenschaft in seinen Augen lodern, Leidenschaft, die sie nicht erwiderte. Wie hätte sie auch können, wenn noch ein letztes Fünkchen Hoffnung auf Friedrichs Rückkehr in ihr glomm?
    Alwine Uhldorff war Ross Bowies Interesse an ihrer älteren Tochter nicht verborgen geblieben, und da er eine ausnehmend gute Partie darstellte, sparte sie seit einigen Monaten nicht mit Bemerkungen, die in eine einzige Richtung zielten: Johanna möge sich Friedrich aus dem Kopf schlagen und Bowie ehelichen. Sie selbst hatte Friedrich längst abgeschrieben, wie eigentlich alle außer Johanna, Mercy und Henry Farnell, der in unregelmäßigen Abständen brieflich über seine Bemühungen berichtete, etwas über den Verbleib Friedrichs und der
Albatros
zu erfahren.
    Nach einem letzten suchenden Blick kehrte Johanna dem Meer den Rücken. Zu Hause wartete ein Berg Arbeit auf sie, denn am heutigen Nachmittag waren sie zu einem Fest geladen. Ross Bowie war vor wenigen Tagen aus Makassar zurückgekehrt und feierte seinen siebenundzwanzigsten Geburtstag im großen Rahmen auf seinem Anwesen vor der Stadt. Es war das erste gesellschaftliche Ereignis, an dem die Frauen des Hauses Uhldorff seit dem Tod des Vaters teilnahmen. Eigentlich war es noch zu früh, die Trauerzeit zu beenden, doch die Mutter, die selbst keine Anstalten machte, die Trauerkleidung abzulegen, hatte ihre Töchter gedrängt, wieder Farbe in ihre Garderobe und ihr Leben zu bringen. Johanna sah dem Fest mit gemischten Gefühlen entgegen. Würde sie in der fröhlichen Stimmung die düsteren Gedanken verdrängen können, oder würden sie sich umso schwerer auf ihr Gemüt legen? Sie wusste es nicht.
    Ihre Brust schnürte sich zu, als sie an den Silvesterball dachte. War es wirklich erst sieben Monate her, seit sie durch Ross Bowies Salon getanzt war? Seit ihre größten Sorgen der Wahl des richtigen Brautkleides und der Zusammenstellung des Hochzeitsmenüs gegolten hatten? Seit sie übermütig mit Leah dem Sturm getrotzt und sich die heißen Füße im nassen Gras gekühlt hatte?
    Johanna setzte sich in Bewegung. Sie erlaubte sich nicht, die Schultern hängen zu lassen, sondern

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