Die Insel der Roboter
verbessern, hatte er begonnen, ziemlich fließend auszusagen.
Er war Amerikaner, mehrfach vorbestraft wegen kleiner Gewaltverbrechen, die ihm nie viel eingebracht hatten, und hatte über Unterweltverbindungen diesen Auftrag bekommen, bei dem eine ansehnliche Belohnung in Aussicht gestellt war. Er war über Schweden eingereist, hatte sich in Karl-Marx-Stadt ein Motorrad gekauft. Die Tatwaffe war schwedischer Herkunft. Über seine Auftraggeber wußte er nichts zu sagen, er hatte nur von Anfang an das Gefühl gehabt, daß mächtige Leute dahinter stehen mußten – erstens wegen der Summe, und zweitens, weil alles so glänzend organisiert gewesen sei.
Ich gab Horst Heilig das Protokoll zurück. »Ja, glänzend organisiert«, sagte ich zerstreut, »bis auf den Ausgang der Geschichte. Wieso hat der Gegner das eigentlich nicht vorausgesehen? Wir haben doch solche Geschichten auch einkalkuliert? Das sieht alles so dumm aus!«
»Eben!« sagte Horst Heilig.
»Das ist der springende Punkt!« meinte Werner Frettien vergnügt.
»Für mich ist das ein springendes Fragezeichen!« sagte ich ärgerlich.
»Dann geh mal von der Annahme aus, der Gegner habe tatsächlich alle möglichen Ausgänge dieses Unternehmens einkalkuliert.«
Ich stutzte. »Alle Ausgänge? Das heißt also: Nummer eins – Attentat gelingt, Täter entkommt, Nummer zwei – Attentat gelingt, Täter entkommt nicht, Nummer drei – Attentat mißglückt, Täter entkommt, Nummer vier – Attentat mißglückt, Täter entkommt nicht.«
»Richtig. Was haben alle vier Fälle gemeinsam?«
»Na«, sagte ich zögernd, »auf jeden Fall bedeutet auch ein mißglücktes Attentat eine Störung unserer Arbeit. Der Arbeitsatmosphäre.«
»Genau. Und noch etwas.«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Das Gewehr!« half Werner.
»Die Spur führt nach Schweden?« fragte ich, nicht ganz sicher, ob ich das Richtige getroffen hätte.
»So ist es«, bestätigte Horst Heilig. »In jedem Fall wird die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler von ihrer Arbeit ab- und unsere Aufmerksamkeit auf die Nord-Süd-Achse hingelenkt. Das heißt, die eigentliche Aufmarschstraße des Gegners wird von Westen nach Osten verlaufen: die Transitwege.«
»Ist das nicht ein bißchen kühn geschlußfolgert?« fragte ich zweifelnd. »Und überhaupt…«
»Einwände? ’raus damit!« sagte Horst Heilig interessiert.
»Ich weiß nicht«, sagte ich, »nur so Gedanken – wie verträgt sich das Ganze mit der These, daß der Gegner in seinen Operationen nicht erkennbar sein darf, wegen der außenpolitischen Konsequenzen?«
Horst Heilig überlegte eine Weile. »Gut«, sagte er, »nehmen wir mal an, du wärst ein ausländischer Politiker. Du kennst die Bedeutung unserer Storos, erfährst, daß hier eine Katastrophe stattgefunden hat, aber es ist kein Versuch des Gegners nachweisbar, bei dieser Sache mitzumischen. Ich lasse den angeblichen Ingenieur mal aus, denn für den Gegner ist er ja tot, er kann also nicht damit rechnen, daß er für uns ein Beweismittel darstellt. Als Politiker sagt dir deine Erfahrung, daß eine solche Enthaltsamkeit des Gegners unglaubhaft ist. Folglich wird unsere Darstellung, daß es sich um Sabotage handelt, glaubhafter.«
Ich nickte.
»Ein Attentat aber macht Schlagzeilen«, setzte ich den Gedanken fort, »und ich sage mir als Politiker, die Leute da haben ihre Sache gut gesichert, ihre Gegner sind nicht sehr nahe herangekommen, sie mußten sogar zu so primitiven Mitteln greifen. Also wird die Katastrophe der Roboter wohl echt sein.«
»Überzeugt?« fragte Horst Heilig.
»Was das betrifft, ja«, antwortete ich, »nur die Schlußfolgerung mit der West-Ost-Achse erscheint mir immer noch zu kühn.«
»Einverstanden«, sagte Horst Heilig versöhnlich, »nennen wir’s eine Arbeitshypothese. Wie können wir sie prüfen?«
»Augenblick mal«, sagte Werner Frettien, »ich habe eine noch viel kühnere anzubieten!«
»Na bitte, schieß los!«
»Die Tatsache, daß für diesen Mord ein Außenseiter engagiert wurde, läßt vermuten, daß die Kerntruppe schon hier versammelt ist. Noch etwas anderes weist auf den gleichen Sachverhalt hin: Der Gegner hat zwar das Verhältnis von Vater und Tochter Hetz ausgekundschaftet, aber er hat offenbar gegenwärtig keinen Mann mehr an der Uni, der den wirklichen Aufenthalt der Tochter hätte kontrollieren können.«
»Das ist mir nun wieder zu kühn«, entgegnete Horst Heilig. »Ein Außenseiter kann deshalb bevorzugt worden sein, weil der Gegner
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