Die Insel der Roboter
sogenannten Angst-Lernen zusammen, und das zwingt mich, diesen Begriff etwas näher zu erläutern. Die Wirkungsweise des V-, A- und Z-Zentrums im Zentralrechner, die ich vor einigen Wochen meinen Genossen in der Sicherungsgruppe erläutert hatte, betraf nur deren Hauptfunktionen. Wie das in einem so komplizierten Gebilde nicht anders möglich ist, hatte jedes Zentrum noch eine Reihe von Nebenfunktionen. Und um eine solche Nebenfunktion des A-Zentrums ging es hier.
Es gab nämlich einen gewissen Bereich der Speicherkapazität des ZR, der normalerweise, also unter dem Regime des V-Zentrums, unzugänglich war. Wenn nun das A-Zentrum eingeschaltet wurde, flossen alle Informationen – sowohl die von außen kommenden als auch die über die eigene Tätigkeit – in diesen Bereich und wurden dort gespeichert. Danach gehörten sie wie alle anderen zum Bestand des inneren Umweltmodells, waren also auch bei V-Schaltung erreichbar, mit einer Besonderheit allerdings: Sobald ein Komplex dieser Informationen aufgerufen wurde, schaltete sich das A-Zentrum ein. Diese Einrichtung gab dem Storo die Möglichkeit, gewisse Signale, die in Begleitung mit komplizierteren Aufgaben auftraten, als eine Art Warntafel zu qualifizieren.
Um das an einem Vergleich deutlich zu machen: Ein Kraftfahrer übersieht sicherlich viele Details am Rande der Straße. Leuchtreklame oder Fassadengestaltung der Häuser werden ihm, außer wenn Interesse dafür vorliegt, kaum ins Bewußtsein dringen. Ein Verkehrszeichen jedoch veranlaßt ihn sofort, sich dessen Bedeutung bewußt zu machen.
Die Einprägung solcher Information wurde als Angst-Lernen bezeichnet, und damit sollte nächstens begonnen werden. Als wir den Arbeitsplan im Beirat kritisch unter die Lupe nahmen, fiel uns auf, daß für das erste Training auf diesem Gebiet unverhältnismäßig viel Zeit eingeplant war, und zwar wurde die Zeit benötigt, um dem Storo ein sehr kompliziertes Verbot einzugeben, das Verbot, sich dem Menschen zu nähern. Es sollte erreicht werden, daß der Storo bewegungslos blieb, sobald sich ein Mensch im Umkreis von weniger als einem Meter befand.
Auch wir hätten das wahrscheinlich als selbstverständlich und absolut notwendig hingenommen, wenn uns nicht der große Zeitaufwand stutzig gemacht hätte. Als wir mit Hilfe von Berechnungen und mathematischen Modellen tiefer in die Zusammenhänge eindrangen, erschien uns die Sache plötzlich fragwürdig, und wir hatten uns zum Vortrag beim Professor angemeldet.
»Ich höre!« sagte der Professor. Seine Augen glitzerten kampflustig.
»Wir schlagen vor, rund hundert Stunden einzusparen«, verkündete ich.
»Soll das ein Witz sein?« fragte der Professor verblüfft, und diese Verblüffung war durchaus verständlich, war doch der Arbeitsplan in vielen Beratungen schon aufs engste komprimiert worden.
»Ein Witz nicht, aber etwas unseriös schon«, erklärte ich. »Wir schlagen nämlich vor, das Training des Mensch-Verbots vom Arbeitsplan abzusetzen.«
»Herrschaften, ihr seid verrückt geworden!« rief der Professor und sprang auf. »Ich muß euch doch nicht erklären, daß das Mensch-Verbot seit je und für alle Zeit zu den festen, geheiligten Konstruktionsprinzipien für bewegliche, selbstprogrammierende Maschinen gehört!«
»Nein«, sagte ich, »müssen Sie nicht.«
Der Professor setzte sich wieder. »Na, dann schießen Sie mal los!«
»Wir wollen nichts aussagen für alle Zeiten und über alle jemals möglichen Typen von beweglichen, selbstprogrammierenden Maschinen, sondern nur über unsere Storos und nur für heute. Und dafür erscheint uns das Mensch-Verbot zunächst mal überflüssig.
Die Storos kommen – im aktivierten Zustand – mit Menschen überhaupt nicht in Berührung. Lediglich in der Ausbildung gibt es den einen oder anderen Punkt, wo das vielleicht möglich wäre, möglich, aber nicht notwendig. Zu diesem Zeitpunkt verfügen sie aber noch nicht über die Mittel, um einen erwachsenen Menschen überhaupt ernsthaft schädigen zu können – also zusätzliche Werkzeuge, Sprengstoff und so weiter. Im Einsatz sind sie aber gerade da, wo der Mensch nicht sein kann, das ist ja ihr Sinn und Zweck. Im Grunde, und das ist der springende Punkt, braucht es den Menschen in ihrem Umweltmodell überhaupt nicht zu geben, und folglich auch nicht als Verbot.«
»Das ist zweifellos richtig«, antwortete der Professor nach einigem Nachdenken, »aber es reicht nicht aus. Die Entscheidung, die Sie verlangen, ist prinzipieller
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