Die Insel der Roboter
auf.
»Vielleicht wollte er außerdem herauskriegen, wie unsere Verbindung zu anderen Dienststellen funktioniert!«
»Auch das fällt dabei mit ab«, meinte Horst Heilig. »Paßt mal auf, ich werde mich so lange weigern, diesen Schritt des Gegners zu verstehen, wie wir nicht wenigstens zehn Gründe erkennen können, warum er ihn getan hat.« Er wandte sich wieder direkt an mich. »Versteh mal, die Aufgabe eines Teils der Deckung – und das bedeutet doch das Ganze, wenn man dabei noch den zarten Hinweis auf die Bedeutung der Transit-Autobahn einbezieht –, also diese Aufgabe ist ein einschneidender Schritt, den tut man nur, wenn man ein Bündel von Problemen löst. Ein solcher Schritt ist ein markanter Punkt im strategischen Plan.«
»Zwei von den zehn hat Jürgen ja schon genannt. Wie wär’s mit folgendem Grund als Nummer drei: Es hätte ja sein können, ich meine, wenn das wirklich unser erster Kontakt mit dem Gegner gewesen wäre – ich hab’ mich im Satz verheddert, also noch mal, wenn das unsere Begegnung mit dem Gegner gewesen wäre, hätten wir da nicht unser ganzes Netz alarmiert? Und wenn er nun schon Leute in den Heimen hätte, könnte er daran erkennen, wer für uns arbeitet.«
»Abgelehnt«, sagte Horst Heilig. »Der Gegner kann nicht damit rechnen, daß wir wegen eines Zaunkletterers unser ganzes Netz dekonspirieren. Aber ein anderer Gedanke steckt darin. Wenn er unsere Aufmerksamkeit auf die Autobahn lenkt und uns glauben macht, daß das seine ersten Schritte sind, dann lenkt er uns zugleich ab von den Heimen und dem Zeltlager, daß ja auch dieser Tage eröffnet wird. Das ist doch ein akzeptabler Grund!«
»Ablenkung auch vom Kontakt Nora«, schlug ich vor, »Grund Nummer vier.«
»Ja, aber möglicherweise auch Test des Kontakts Nora – Nummer fünf. Das müssen wir noch besonders gründlich durchdenken.«
»Vielleicht«, sagte Werner Frettien grübelnd, »hat er eine bestimmte Aktion vor und will deshalb unsere Aufmerksamkeit in die falsche Richtung lenken.«
»Ja«, stimmte ich zu, »vielleicht genau das, was wir heute mit dem Professor besprochen haben!«
Auf Werners Frage erläuterte Horst Heilig im groben Umriß den Plan und sagte dann: »Aber das glaube ich nicht – logisch wäre doch für ihn, unsere Aufmerksamkeit erst gar nicht zu wecken!«
»Es hat heute schon mal jemand gesagt«, entgegnete ich, »daß die Psychologie in unserm Kampf eine große Rolle spielt. Muß sich der Gegner nicht sagen, daß wir auch nicht schlafen? Er kann doch nicht mit genereller Unaufmerksamkeit rechnen, sondern bestenfalls mit abgelenkter Aufmerksamkeit!«
»Stimmt«, sagte Horst Heilig, »muß man anerkennen. Das wäre also Nummer sechs. Langsam nimmt die Sache Gestalt an. Bitte weiter.«
Aber weiter kam nichts – sosehr wir uns auch den Kopf zerbrachen, uns fiel nichts mehr ein.
»Sechs Gründe sind auch genug«, sagte Horst Heilig.
»Was mich bei der Sache stört«, erwiderte Werner, »ist, daß der Gegner alle diese Überlegungen auch anstellen kann.«
»Das stimmt nicht«, entgegnete Horst Heilig, »er weiß nicht, daß wir den Kontakt Nora in der Hand haben, und er weiß auch nicht, daß er schon bei Jürgen bemerkt wurde. Aber bitte sehr, nehmen wir mal an, er wüßte das alles – wie wäre da sein Verhalten zu erklären?«
»Gar nicht«, gab Werner Frettien zu. »Es sei denn…«
»Es sei denn?«
»Ich sage es ungern, es sei denn, er hätte schon einen Mann hier drin, und von Anfang an war alles, was er tat, nur eine Schein-Strategie, um diesen Mann zu decken.«
»Gut, auch diese Möglichkeit müssen wir berücksichtigen. Es kommt jetzt darauf an, so vorzugehen, daß wir bei all diesen Spekulationen die Spreu vom Weizen sondern können. Vorher noch eins – was ist mit Nora? Ihr kennt ihren Kontaktmann?«
»Ja«, berichtete Werner Frettien. »Mit neunundneunzig Prozent Sicherheit. Ein brasilianischer Student, Joao Bacaro. Mit dem Kubaner befreundet. Hat ihn beim Ball animiert, Nora an den Tisch zu holen. Ist auch der einzige der damaligen Tischrunde, mit dem er ständig zusammen ist. Hat ihm auch das Lokal empfohlen, das er immer mit Nora besucht. Ich lasse ihn zur Zeit überprüfen.«
»Brasilianer«, sagte Horst Heilig nachdenklich.
»Ja, von der KPB delegiert.«
»Die ist doch noch halblegal, soviel ich weiß?«
»Ja«, sagte Werner Frettien und machte ein ernstes Gesicht. »Wenn das stimmt, hat wieder ein junger Genosse sein Leben lassen müssen, damit solch ein Bandit
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