Die Insel der roten Erde Roman
ich habe ihr gesagt, dass wir uns lieben und eines Tages unseren Weg gemeinsam gehen werden, ob in Kingscote oder anderswo.«
Amelia kamen die Tränen. Nie hatte sie Gabriel mehr geliebt als in diesem Augenblick. »Und wie hat sie es aufgenommen?«, fragte sie mit leiser Stimme.
»Sie versteht es«, antwortete er ruhig.
Amelia wischte ungläubig die Tränen fort. »Wirklich? Aber warum machst du dann so ein bedrücktes Gesicht?«
»Edna meinte, Evan hätte wahrscheinlich nicht so viel Verständnis, und damit hat sie völlig Recht.« Gabriel blickte ihr fest in die Augen, als er fortfuhr: »Aber ich muss es ihm sagen, bevor er es von jemand anderem erfährt. Evan und ich sind Freunde, und Freunde sollten aufrichtig zueinander sein. Wenn er nur nicht so strenge Grundsätze hätte! Evan weiß ganz genau, was gut und was schlecht ist. Ich mache mir keine Sorgen um mich, aber er könnte …« Er sprach den Satz nicht zu Ende, doch Amelia verstand auch so: Evan könnte möglicherweise veranlassen, dass sie nach Van-Diemens-Land zurückgeschickt wurde.
Eine Sekunde lang war sie starr vor Schreck. »Sag ihm nichts von uns, Gabriel!«, bat sie dann. »Das dürfen wir nicht riskieren!«
»Wenn er es von jemand anderem erfährt, wäre es noch viel schlimmer, Sarah«, gab er zu bedenken. »Eins der Kinder könnte uns beobachtet haben und sich verplappern, oder Miss Divine verrät ihm etwas. Wenn Edna von uns weiß, dann weiß sie es vermutlich auch.« Sie waren doch so vorsichtig gewesen! Wie Edna das herausgefunden hatte, war ihm ein Rätsel. »Mach dir keine Sorgen«, beruhigte er sie und nahm sie in die Arme. »Nichts wird unserem Glück im Wege stehen. Wir müssen nur Geduld und Vertrauen haben.«
Evan ritt kurz nach dem Mittagessen aufs Grundstück. Er sah fast genauso abgekämpft aus wie das arme Pferd, dessen Flanken schaumbedeckt waren. Die Kinder freuten sich natürlich, ihren Vater wiederzusehen, doch Amelia und Gabriel begrüßten ihn mit gemischten Gefühlen.
Er war noch nicht einmal abgestiegen, als er Amelia fragte, wie es Milo gehe. Sorge und Ungewissheit hatten tiefe Furchen in sein zerknittertes, bärtiges Gesicht gegraben.
»Es geht ihm prächtig«, versicherte Amelia. »Der Arzt hat gesagt, er ist wieder gesund, aber er möchte ihn trotzdem noch einige Zeit alle paar Tage sehen, nur zur Sicherheit.«
Evan fiel eine Zentnerlast vom Herzen. Er schwang ein Bein über den Hals des Pferdes und ließ sich vom Rücken des Tieres rutschen. Ächzend, weil ihm jeder Knochen wehtat, kam er auf die Füße und nahm seinen Sohn in die Arme. Die Mädchen drängten sich um den Vater.
»Wie war der Ritt?«, fragte Gabriel. Amelia fiel die Anspannung in seiner Stimme auf, doch Evan war zu erschöpft, um es zu bemerken.
»Lang und anstrengend«, antwortete er matt. »Der arme Clyde hat sich eine ausgiebige Erholungspause verdient. Und ich rieche übler als zehn Tage altes Aas!«
»Ich werde mich um Clyde kümmern.« Gabriel führte das Pferd in den Stall, sattelte es ab, gab ihm sein Futter und rubbelte es trocken. Evan ging unterdessen ins Haus. Amelia, die ihn nicht mit einer selbst gekochten Mahlzeit ärgern wollte, machte ihm ein paar Schinkenbrote und eine Kanne starken Schwarztee. Bis das Wasser für sein Bad warm war, beschäftigte Evan sich mit seinen Kindern, die ihm viel zu erzählen hatten.
Als er gebadet hatte, schlug Amelia vor, er solle sich hinlegen und ein wenig ausruhen. Sie fürchtete den Moment, da Gabriel ihm von ihrer Beziehung erzählen würde, und war deshalb schrecklich nervös. Doch Evan fielen weder ihre Unruhe noch ihre zitternden Hände auf.
»Erst will ich nach den Tieren sehen«, erwiderte er. »Schlafen kann ich heute Nacht.«
Das war typisch für ihn: Erst wenn er sich davon überzeugt hatte, dass auf der Farm alles in Ordnung war, gönnte er sich eine Pause.
Ganz zum Schluss auf seinem Rundgang zu den Ställen und Koppeln suchte er Gabriel auf, der den Pferdestall ausmistete. »Ich weiß gar nicht, wie ich dir für deine Hilfe danken soll, Gabriel. Dich hier zu wissen, war mir eine große Beruhigung.«
Gabriel hatte ein schlechtes Gewissen. Ob Evan immer noch so darüber denken würde, wenn er ihm gestanden hatte, dass er und seine Farmhelferin sich liebten? »Das habe ich gern getan«, wehrte er ab. »Die Kinder haben dich vermisst, aber sie haben sich schon gut eingelebt.«
Evan nickte. »Das ist Sarahs Verdienst. Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde,
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