Die Insel der roten Erde Roman
Grund dafür gehabt haben. Oder man hat sie für etwas verurteilt, das sie nicht getan hat. Es ist diese Ungewissheit, die sie am meisten belastet. Alles ist besser als das!«
»Na schön. Ich werde sehen, was sich machen lässt.« Edna sah ein, dass Gabriel nicht umzustimmen war. Außerdem war sie selbst neugierig geworden.
»Wenn du nur ihr Geburtsdatum oder ihr Alter herausfändest, wäre das schon viel. Und wenn sie wüsste, wo sie geboren wurde und ob sie noch Angehörige hat, wäre sie der glücklichste Mensch auf Erden!«
»Und was ist mit Evan?«, fragte Edna. »Was wird er zu eurer Beziehung sagen? Hast du dir darüber schon mal Gedanken gemacht?«
Gabriel schüttelte den Kopf. »Charlton wird es bestimmt genauso wenig verstehen.«
»Dann ist Miss Jones also der wahre Grund für deinen Umzug nach Kingscote.«
»Nicht nur – obwohl ich ohne sie nicht mehr sein könnte. Aber es gibt noch einen anderen Grund«, fuhr er zögernd fort. »Beim Abendessen gestern wollte ich vor Miss Divine nichts sagen, aber Carlotta stellt mir nach. Ich mag ihren Mann wirklich gern und respektiere ihn, aber die Situation am Cape du Couedic ist unerträglich geworden.«
»Du meine Güte!« Edna schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Dein Leben ist ja ganz schön kompliziert geworden!«
»Das kann man wohl sagen.« Er lächelte gequält. »Noch vor wenigen Monaten war ich ein Leuchtturmwärter, der ein einsames, aber problemloses Dasein führte. Dann lief die Gazelle auf ein Riff, und alles änderte sich schlagartig. Mir tut es Leid um jeden, der bei dem Unglück getötet wurde, aber ich bedaure keine Sekunde, dass Sarah in mein Leben getreten ist.«
Edna seufzte. »Anscheinend bleibt mir nichts anderes übrig, als zu akzeptieren, dass du Miss Jones liebst, Gabriel. Aber denk bitte an Evans Kinder! Ihr wisst hoffentlich, wie ihr euch in ihrer Gegenwart zu benehmen habt.«
»Keine Sorge, Edna. Sarah und ich wissen beide, dass es in den nächsten zwei Jahren für uns nur ein paar gestohlene Augenblicke geben wird.«
Charlton war inzwischen nach Hause gekommen.
»Wie geht es Walter?«, fragte Edna. Walter Braddock war ein guter Freund ihres Mannes. Er litt bereits seit Jahren an Atembeschwerden, an denen seine Vorliebe fürs Rauchen nicht ganz unschuldig war. Doch davon wollte er nichts hören.
»Besser als erwartet. Amelia hat mir gesagt, du wärst drüben bei Lance. Ich dachte, er wollte den Abend mit Olivia Horn verbringen?«
»Das tut er auch. Ich habe mich mit Gabriel unterhalten.«
Charlton musterte seine Frau. »Du machst so ein bedrücktes Gesicht. Ist etwas passiert?«
»Ist Amelia in ihrem Zimmer?«, fragte sie leise zurück.
»Ja.«
Edna schloss die Küchentür und setzte sich an den Tisch. Charlton hatte sich gerade Tee aufgebrüht. »Gabriel ist in Miss Jones verliebt«, sagte Edna mit gedämpfter Stimme. »Und sie in ihn.«
»Was?« Charlton fiel aus allen Wolken.
»Auch ich war anfangs schockiert. Ich wollte ihn zur Vernunft bringen, aber da ist nichts zu machen. Er sagt, sobald sie ihre Strafe verbüßt hat und ein freier Mensch ist, will er sie heiraten.«
Charlton gewann nur langsam seine Fassung wieder. »Und wie … Hat er es dir von sich aus gesagt, oder hast du Verdacht geschöpft und ihn zur Rede gestellt?«
»Ich hatte keinen blassen Schimmer. Amelia hat heute Abend zufällig gesehen, wie die beiden sich geküsst haben.«
Charlton schüttelte den Kopf. »Er hätte wenigstens so viel Verstand haben sollen, vorsichtig zu sein.«
»Sie stehlen sich ein paar Minuten, solange Evan fort ist. Sobald er da ist, wird es damit vorbei sein.« Als ihr Mann schwieg, fuhr Edna verwundert fort: »Ich dachte, du wärst außer dir vor Empörung!«
»Sie ist eine wunderschöne junge Frau, und Gabriel ist zweifellos ein einsamer Mann«, sagte Charlton nur.
Edna dachte über diese Bemerkung nach. Natürlich, er sah die Situation mit den Augen eines Mannes. Evans Farmhelferin war in der Tat eine schöne Frau, und einer schönen Frau verzieh ein Mann so ziemlich alles.
»Ich weiß gar nicht, was ich Amelia sagen soll. Sie hat von mir erwartet, dass ich der Sache ein Ende mache. Stattdessen zeige ich Verständnis für Gabriel. Er liebt diese Frau wirklich. Er hat mich gebeten, Nachforschungen über ihre Vergangenheit anzustellen … nur für den Fall, dass sie ihr Gedächtnis nicht wiedererlangen sollte.«
»Erzähl Amelia so wenig wie möglich«, riet Charlton. »Wenn sie dich darauf anspricht,
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