Die Insel der roten Erde Roman
neben sie. Evan, der mit Milo auf dem Schoß am Tisch saß, beobachtete die beiden. Es schien, als wollte seine Tochter die junge Frau beschützen. Das machte ihn nachdenklich, und er fragte sich, warum er so heftig auf Gabriels Geständnis reagiert hatte. Er musste bei aller Wut zugeben, dass seine Farmhelferin eine bildschöne Frau war, und er wusste, wie einsam Gabriel sich fühlte. Dennoch wäre er nie auf den Gedanken gekommen, die beiden könnten sich ineinander verlieben.
Gabriel hat mich überrumpelt, dachte Evan. Deshalb habe ich so reagiert. Er wusste, dass er verbittert war, wenn es sich um die Liebe drehte, konnte aber nichts dagegen tun. Und er kannte auch den Grund für diese Verbitterung: Es war die Gewissheit, nie wieder eine Frau wie Jane zu finden.
Am Abend hatte Evans Laune sich gebessert. Er ging zu Gabriel hinaus, der Holz hackte. »Das kann ich doch jetzt machen«, sagte er.
»Mein Schiff geht erst morgen Früh. Warum soll ich mich bis dahin nicht nützlich machen?«, erwiderte Gabriel. Er war Evan am Nachmittag nach ihrer Auseinandersetzung doch noch zum Haus gefolgt und hatte gelauscht, nur für den Fall, dass er seiner Liebsten hätte zu Hilfe kommen müssen. Doch als es drinnen ruhig geblieben war, hatte er sich schließlich zurückgezogen und war zu Lance’ Haus hinübergegangen.
»Du hast hier tagelang die ganze Arbeit für mich erledigt, also ruh dich ein wenig aus. Du hast es dir verdient«, sagte Evan.
Gabriel richtete sich auf und stellte die Axt ab. Da Evan sich augenscheinlich beruhigt hatte, fragte er: »Du wirst Sarah doch nicht nach Van-Diemens-Land zurückschicken, oder?«
»Ich habe nie gesagt, dass ich das tun würde«, gab Evan in seinem gewohnt ruppigen Tonfall zurück. In der ersten Wut hatte er zwar tatsächlich mit dem Gedanken gespielt. Doch als sein Zorn sich gelegt hatte, hatte er zugeben müssen, dass sie das Herz auf dem rechten Fleck trug. Und Gabriel, das wusste er, war ein anständiger Kerl. Obwohl er ihre Beziehung nicht gutheißen konnte, würde er sie dulden, solange die beiden wussten, was sich gehörte.
»Wir wollten uns gar nicht verlieben, Evan. Es ist einfach passiert. Sarah hat mich sogar abgewiesen. Sie ist eine außergewöhnliche Frau.«
»Das spielt keine Rolle. Sie muss ihre Strafe verbüßen, also werdet ihr zwei warten, bis sie ein freier Mensch ist.« Seine Kinder würden Sarah vermissen, wenn sie fortginge – und er ebenfalls, wenn er ehrlich zu sich selbst war. Sollten sie und Gabriel heiraten, würden sie wahrscheinlich in Kingscote bleiben, falls die Leute eine ehemalige Zuchthäuslerin als Gabriels Frau akzeptierten; dann bliebe sie seinen Mädchen wenigstens als Freundin erhalten.
»Das ist mir klar, Evan. Ich werde ihr bis dahin nicht zu nahe treten, du hast mein Wort«, sagte Gabriel feierlich.
Evan brummte etwas Unverständliches und knurrte dann: »Reden wir nicht mehr darüber.« Er sprach nicht gern über Gefühle. »Ich muss nach den Schweinen sehen«, fügte er bärbeißig hinzu.
Die echte Sarah beobachtete die beiden Männer vom Fenster ihres Zimmers aus. Sie konnte nicht hören, was gesprochen wurde, doch Evan wirkte aufgebracht. Ednas Eingreifen schien die Liebesidylle bereits empfindlich gestört zu haben. Sarah triumphierte innerlich. Das geschah dieser hochnäsigen Amelia ganz recht! Beim Frühstück hatte sich Edna auf ihre Frage, was Gabriel zu seiner Verteidigung vorgebracht habe, zugeknöpft gezeigt. Es schicke sich nicht für eine ledige junge Frau, sich mit solchen Dingen zu befassen, hatte sie erklärt. Sarah hoffte nur, Evan werde Amelia in seiner Wut nicht nach Van-Diemens-Land zurückschicken. Hauptsache, er sorgte dafür, dass die beiden Turteltauben voneinander getrennt wurden.
Edna saß unterdessen in der Küche und schrieb an einen guten Freund der Familie, der vor kurzem zum Direktor des Botanischen Gartens in Hobart Town ernannt worden war. Arthur Boon hatte einen Bruder, der Urkundsbeamter am Obersten Gerichtshof in Hobart war und Zugang zu einer Vielzahl von Informationen hatte. Edna hoffte, Arthur würde über seinen Bruder etwas über diese Sarah Jones in Erfahrung bringen können. Ihre Freunde in England könnten ihr sicher auch helfen, aber es würden Monate vergehen, bis sie Nachricht von ihnen bekäme. Von Arthur könnte sie mit ein bisschen Glück in drei Wochen eine Antwort erhalten.
Am anderen Morgen ging Gabriel zu den Ashbys hinüber, um sich zu verabschieden. Sarah stand in
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