Die Insel der roten Erde Roman
ihrem Zimmer hinter der offenen Tür und lauschte.
»Ich möchte mich noch einmal für eure Gastfreundschaft bedanken«, sagte Gabriel.
»Nichts zu danken«, antwortete Edna freundlich. »Du kommst ja bald wieder, nicht wahr?«
»Ja, schon in ein paar Tagen.«
»Edna hat mir erzählt, du hättest eine Anstellung als Schiffslotse angenommen«, warf Charlton ein. »Freut mich, dass du wieder in die Stadt zurückziehst, Gabriel!« Nach allem, was Gabriel erzählt hatte, kam sein Entschluss nicht überraschend. Charlton war sicher, dass Miss Jones nicht der einzige Grund für Gabriels Rückkehr war. Es schien, als spiele Edgar Dixons Frau eine maßgebliche Rolle bei Gabriels Entscheidung, Cape du Couedic zu verlassen.
»Danke, Charlton. Ich freue mich auch darauf, wieder als Lotse zu arbeiten.«
Polly kam herein. »Entschuldigen Sie, Mr Ashby, aber ich brauche einen Sack Mehl aus der Speisekammer.«
Charlton nickte. »Ich helfe dir, Polly. Ich bin gleich zurück, Gabriel.«
Als ihr Mann und Polly außer Hörweite waren, sagte Edna leise: »Ich habe einen Freund von uns in Hobart Town gebeten, Erkundigungen über Miss Jones einzuholen. Charlton weiß noch nichts davon. Ich möchte erst die Antwort abwarten. Sie dürfte innerhalb der nächsten Wochen eintreffen.«
Sarah packte die Wut, als sie das hörte. Nicht nur, weil Edna sie nicht ins Vertrauen gezogen hatte, sondern weil alle ganz erpicht darauf schienen, dieser verwöhnten, selbstsüchtigen Miss Divine zu helfen. Wer hatte denn ihr, Sarah, Hilfe angeboten, als sie ins Gefängnis gesteckt worden war? Kein Mensch! Amelia hingegen zog selbst als Zuchthäuslerin alle in ihren Bann. Das ist so ungerecht!, schrie eine zornige Stimme in Sarahs Innerem.
Sie überlegte, was Edna herausfinden könnte. Gab es irgendwelche Unterscheidungsmerkmale? Sie und Amelia hatten beide die gleiche Haarfarbe und Statur und waren fast gleich alt. Gab es sonstige Anhaltspunkte, die auf eine vertauschte Identität hindeuteten?
»Ich danke dir, Edna«, sagte Gabriel soeben. »Ich bin für jede Information dankbar, und wenn sie noch so geringfügig ist. Das Geburtsdatum, der Geburtsort, ob sie Angehörige hat … egal was. Eines Tages wird Sarah gewiss nach England zurückkehren und ihre Familie besuchen wollen, sofern sie eine hat. Es wäre großartig, wenn du ihre Adresse herausbekämst. Vielleicht könnte sie ihnen ja schreiben.«
Sarah schlug erschrocken die Hand vor den Mund.
»Ich habe darum gebeten, mir sämtliche verfügbaren Informationen zukommen zu lassen«, versicherte Edna.
Gabriel bedankte sich abermals. Dann sagte er: »Ich werde meine neue Stelle nächsten Dienstag antreten. Das heißt, ich muss Montag zurück sein, damit ich mich noch nach einer Unterkunft umsehen kann.«
»Du kannst doch bei Lance wohnen«, schlug Edna vor. »Es ist genug Platz im Haus. Du würdest dein eigenes Zimmer haben. Und Küche, Bad und Wohnzimmer könntet ihr gemeinsam nutzen. Er hat schon einmal ein Zimmer vermietet und ist sehr gut mit seinem Mieter ausgekommen. Lance ist ein sehr umgänglicher Mensch.«
»Das bezweifle ich nicht, Edna. Er hat mir ja auch schon angeboten, wieder bei ihm zu wohnen, aber ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist. Ich will Evan nicht provozieren.«
»Du hast ihm also von deiner Beziehung zu Miss Jones erzählt.«
»Ja, und er hat sich schrecklich aufgeregt«, erwiderte Gabriel und seufzte. »Ich hatte mir natürlich auch einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht. Evan kam gerade zurück und war von dem langen Ritt völlig erschöpft. Aber ich konnte einfach nicht mehr warten. Gestern Abend, als er sich ausgeruht hatte, reagierte er schon ein wenig gelassener. Meine größte Angst war, er könnte Sarah nach Van-Diemens-Land zurückschicken, aber er hat mir versprochen, es nicht zu tun.«
Sarah atmete auf. Jetzt musste nur noch der Nachlass geregelt sein, bevor Edna Nachricht aus Hobart Town bekam!
»Auf Cape du Couedic warst du ja auch Evans nächster Nachbar«, gab Edna zu bedenken. »Weshalb sollte es jetzt auf einmal Probleme geben? Sprich mit Evan darüber, dann hörst du ja, was er dazu meint.«
Gabriel blieb skeptisch. So sehr er sich wünschte, in der Nähe seiner geliebten Sarah zu sein, so wollte er sie doch unter keinen Umständen in Schwierigkeiten bringen. Da Charlton inzwischen von seinem Gang zurückgekehrt war, verabschiedete er sich von den Ashbys und bat sie, ihr Mündel, das sich nicht hatte blicken lassen, von ihm zu
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