Die Insel der roten Erde Roman
über sich, ihm die ganze Wahrheit zu sagen, nämlich dass Lance ihrem Mündel die Unschuld genommen hatte. Sie fürchtete seine Reaktion.
Charltons Gedanken überschlugen sich. »Der einzige Mann, mit dem sie ausging, ist … Lance!«
Edna senkte den Kopf, und Charlton blickte fassungslos drein. »Willst du damit etwa sagen, dass Lance dem Mädchen die Ehre geraubt hat?«, stieß er hervor.
Edna hatte Angst, ihr Mann werde in seiner Wut losstürmen und Lance im Ozone Hotel zur Rede stellen. »Reg dich bitte nicht auf! Lass uns erst mit Lance reden, bevor wir voreilige Schlüsse ziehen!«
»Wenn Amelia tatsächlich schwanger ist, lässt das nur einen einzigen Schluss zu«, erwiderte Charlton mit hochrotem Kopf. »Ich hätte Lance wirklich für vernünftiger gehalten!«
Er war so laut geworden, dass Sarah in ihrem Zimmer jedes Wort verstand. Ihr graute vor der ersten Konfrontation zwischen Lance, seinen Eltern und ihr selbst. Aber es führte kein Weg daran vorbei, und sie war zuversichtlich, dass sie es schaffen würde. Natürlich würde Lance energisch abstreiten, sie auch nur angerührt zu haben, und er würde überzeugend sein, weil er ja nichts weniger als die Wahrheit sagte. Doch sie würde an ihrer Geschichte festhalten. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Die Ashbys würden ihren Sohn zu einer baldigen Heirat drängen, und wenn sie dann gleich schwanger würde, würde ihr Schwindel überhaupt nicht auffliegen. Tiefe Genugtuung erfüllte sie. Mit Lance’ Schwärmerei für die echte Amelia wäre es dann vorbei. Lance wäre ihr Ehemann. Das Erbe der Divines würde ihre Partnerschaft lebenslang besiegeln. Alles wäre perfekt – jedenfalls solange die echte Amelia ihr Gedächtnis nicht wiedererlangte.
Als Lance am Nachmittag zurückkam, schaute er nicht bei seinen Eltern vorbei. Er war sicher, dass Sarah ihr Verhalten am Abend zuvor furchtbar peinlich war, und da er sie nicht in noch größere Verlegenheit bringen wollte, hielt er es für klüger, eine Begegnung zu vermeiden.
Edna und Charlton hörten sein Pferd in der Auffahrt. Als Lance jedoch nicht wie gewohnt auf einen Sprung hereinkam, folgerten sie, ihr Sohn schäme sich zutiefst für das, was er ihrem Mündel angetan hatte, und wage es deshalb nicht, ihnen unter die Augen zu treten.
Die beiden gingen zu ihm hinüber. Lance konnte ihnen vom Gesicht ablesen, wie aufgebracht sie waren. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass es mit den Ereignissen vom Vorabend zu tun hatte.
Bevor er fragen konnte, was los war, fuhr Edna ihn an: »Wie konntest du Amelia das antun? Ihr die Unschuld zu nehmen!« All die unterdrückten Emotionen der vergangenen Stunden brachen sich in diesem Aufschrei Bahn.
Lance starrte seine Mutter an, als hätte sie den Verstand verloren. »Was?«
»Ich bin bitter enttäuscht von dir, mein Sohn«, sagte Charlton ungehalten. »Ein Gentleman sollte imstande sein, sich zu beherrschen.«
Lance stand da wie vom Blitz getroffen. »Würde mir bitte jemand erklären, wovon ihr überhaupt redet?«
»Wenn Amelia schwanger ist, weißt du hoffentlich, was du zu tun hast«, stieß Edna gepresst hervor.
Lance’ Verwirrung wuchs. »Schwanger? Wie kann sie schwanger sein? Und was hat das mit mir zu tun?«
»Du hast das Mädchen entehrt, Lance«, sagte Edna scharf. »Oder willst du das leugnen? Du bist der Einzige, mit dem sie ausgegangen ist!«
»Und ob ich das leugnen will, Mutter! Ich habe Amelia nicht angerührt!« Er wurde rot, als er an ihr schamloses Benehmen dachte. Als seine Eltern sahen, wie ihm das Blut in den Kopf schoss, befürchteten sie, es müsse zu Intimitäten zwischen den jungen Leuten gekommen sein, die eine unerfahrene junge Frau zu der Annahme veranlassten, sie könne schwanger davon werden.
»Wir müssen unbedingt verhindern, dass es einen Skandal gibt«, schluchzte Edna. »Schon um Amelias willen! Camilla und Henry würden sich im Grab umdrehen, wenn sie wüssten, dass der Name ihrer Tochter beschmutzt wird!«
»Hast du nichts zu deiner Verteidigung vorzubringen?«, herrschte Charlton seinen fassungslosen Sohn an.
»Ich möchte nur eines wissen: Wie kommt ihr auf die absurde Idee, Amelia könnte schwanger von mir sein?«
»Lance, bitte! Kannst du dich in dieser Situation nicht wie ein Gentleman benehmen?«, klagte Edna unter Tränen.
»Mutter, ich bin Gentleman genug, dass ich dazu stehen würde, hätte ich etwas Unehrenhaftes getan«, erwiderte Lance mit Bestimmtheit. »Aber ich habe mir nichts vorzuwerfen.«
»Du wirst
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