Die Insel der roten Erde Roman
tun, was deine Pflicht und Schuldigkeit ist«, sagte Charlton ernst. »Wir müssen an unseren Ruf denken! Stell dir vor, sie erzählt jemandem, dass du sie entehrt hast, solange sie unter unserem Dach gewohnt hat! Diese Schande würde deine Mutter nicht überleben!«
Lance wusste natürlich, dass die Ashbys hohes Ansehen in der Stadt genossen. »Ich weiß nicht, was sie euch erzählt hat«, meinte er kopfschüttelnd. »Aber als sie gestern Abend zu mir kam, benahm sie sich äußerst merkwürdig. Sie wollte sogar, dass wir … miteinander schlafen.«
Edna schnappte erschrocken nach Luft, und Charlton wurde blass.
»Ich habe sie zurückgewiesen und vor die Tür gesetzt. Das ist die Wahrheit, ich schwöre es! Ich weiß nicht, was in sie gefahren war, aber ich habe ihr unmissverständlich klargemacht, wo die Grenzen sind. Vielleicht hat sie diese haarsträubende Geschichte aus Rache erfunden, ich weiß es nicht. Aber von mir ist sie jedenfalls nicht schwanger!«
Charlton und Edna sahen sich an. Beide begriffen überhaupt nichts mehr. Ihr Sohn hatte sie noch nie belogen oder sich irgendetwas zuschulden kommen lassen. Aber was für einen Grund sollte eine junge Dame haben, sich als weniger tugendhaft hinzustellen, als sie war?
»Amelia hat schreckliche Angst, wir könnten schlecht von ihr denken«, meinte Edna nachdenklich. »Deshalb kann ich fast nicht glauben, dass sie eine so ungeheuerliche Geschichte erfindet.«
»War sie vielleicht mit einem anderen Mann zusammen und schämt sich, es einzugestehen?«, fragte Lance.
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Sie ist ja nur ein einziges Mal allein in der Stadt gewesen, und da hat sie einen Tee im Ozone Hotel getrunken.«
»Schön, dann werdet ihr bald sehen, dass ich die Wahrheit sage, weil sie nämlich kein Baby bekommen wird.«
»Wir können es nicht darauf ankommen lassen, Lance«, sagte Charlton mit Entschiedenheit.
»Was … was willst du damit sagen?«, stammelte Lance. »Dass ich sie heiraten muss?«
»Ihr werdet euch verloben und nach einer angemessenen Frist heiraten. Wir müssen an ihren Ruf denken, Lance! Und an deinen!«, sagte Edna beschwörend.
»Ich pfeife auf meinen Ruf, Mutter! Ich liebe Amelia nicht!«, erwiderte Lance heftig. »Und ich habe sie ganz sicher nicht geschwängert. Ich habe euch noch nie belogen! Warum glaubt ihr mir nicht?«
»Lance, es kommt nicht darauf an, was wir glauben. Allem Anschein nach ist Amelia schwanger, und wir können es uns nicht leisten, dass sie oder wir ins Gerede kommen. Noch ist von der Schwangerschaft nichts zu sehen. Wenn du also die Wahrheit sagst und das Kind nicht von dir ist, muss sie kurz vor ihrer Ankunft hier schwanger geworden sein.« Edna streifte der Gedanke, Brian Huxwell könnte der Vater des Kindes sein, doch diese Vorstellung war so grauenhaft, dass Edna sie sogleich wieder verdrängte. »Aber wer würde uns das glauben? Die Leute würden denken, dass unser Sohn unser Mündel geschwängert hat! Diese Schande! Und wir könnten nichts tun, um diesen Verdacht zu widerlegen. Wird das Kind unehelich geboren, ist Amelias Ruf für alle Zeit ruiniert. Sie wäre gesellschaftlich erledigt! Du weißt doch, was das bedeutet! Sie ist unser Mündel, Lance! Wir können nicht zulassen, dass das passiert!« Edna holte tief Luft. »Es gibt nur eine Lösung: Du musst das Mädchen heiraten.«
»Nicht alle Ehen werden aus Liebe geschlossen, Lance«, sagte Charlton, um seinen Sohn zu trösten. »Die Liebe kommt mit der Zeit.« Für ihn selbst und Edna galt das natürlich nicht; sie hatten aus Liebe geheiratet. Lance wusste das, und er hatte gehofft, ihm würde einmal das gleiche Glück beschieden sein.
»Komm nachher zum Essen herüber, Lance«, bat Edna. »Wir müssen alles wegen eurer Verlobung besprechen, und Amelia sollte dabei sein.«
Als Lance sich später auf den Weg zu seinen Eltern machte, fragte er sich, ob die junge Frau wohl ihre Komödie weiterspielen und ihre Behauptung aufrechterhalten würde, er habe sie bloßgestellt. Er konnte es sich nicht vorstellen. Er konnte nicht glauben, dass sie ihm das ins Gesicht sagen würde. Nur deshalb hatte er diesem Treffen zugestimmt.
Sarah saß mit Charlton im Salon.
»Guten Abend«, sagte Lance und sah Sarah dabei an. Sie wich seinem Blick aus, wie er bemerkte. »Kann ich mit Amelia erst einmal unter vier Augen sprechen?«, wandte er sich an seinen Vater.
Sarah riss entsetzt die Augen auf und schaute Charlton Hilfe suchend an.
»Fühlst du dich dazu
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