Die Insel der roten Erde Roman
habe schlichtweg überreagiert, es sei nichts Ernstes. Edna wollte zuerst mit Lance unter vier Augen sprechen, doch sie hatte ihn verpasst: Er war an diesem Sonntagmorgen zeitig aufgebrochen und traf sich zum Tee mit Jonathan Anderson, einem Freund, im Ozone Hotel.
Sarah wunderte sich noch immer, dass Edna die Angelegenheit auf sich beruhen ließ. Doch sie hatte bereits einen Plan für den Notfall vorbereitet. Als Polly hinausging, um die Hühner zu füttern, folgte sie ihr.
»Polly, darf ich dich etwas fragen? Etwas Persönliches?« Sie tat, als ob ihr das Ganze furchtbar peinlich sei.
»Sicher.« Polly blickte sie neugierig an.
Sarah druckste eine Weile herum; dann fragte sie stockend: »Woran … woran merkt eine Frau eigentlich, ob sie … ob sie ein Kind bekommt?«
Polly machte ein verdutztes Gesicht. »Ein Kind?«
Sarah nickte und blickte sich verstohlen nach allen Seiten um, als wollte sie sich vergewissern, dass sie nicht belauscht wurden. »Ja«, flüsterte sie. »Wie lange …« Ihr Gesicht brannte. Der bloße Gedanke, was mit Lance hätte passieren können , ließ sie erröten. »Du weißt schon … nachdem man mit einem Mann zusammen war … wie lange dauert es dann, bis man weiß, ob man schwanger ist oder nicht?«
»Warum wollen Sie das denn wissen, Miss Divine?«, fragte Polly misstrauisch.
»Das kann ich dir nicht sagen«, erwiderte Sarah und tat verschämt, »aber ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mir sagen könntest, auf was für Anzeichen man achten muss.«
»Nun, zuerst mal bleibt die Monatsblutung aus, und vielen Frauen wird schlecht.« Polly zuckte die Achseln. »Das hat meine Mutter mir jedenfalls gesagt. Sie wollte mir mehr darüber erzählen, sobald ich verheiratet bin, aber wer weiß, wann das sein wird …«
»Ich danke dir, Polly.«
»Wollen Sie nicht mit Mrs Ashby darüber sprechen, Miss Divine?«
»Später … wenn die Zeit gekommen ist.« Sarah eilte ins Haus zurück und ging in ihr Zimmer. So weit, so gut, dachte sie zufrieden. Polly würde sicherlich voreilige Schlüsse ziehen. Und Sarah konnte sich nicht vorstellen, dass sie dieses höchst sonderbare Gespräch für sich behielt.
»Ich bin wieder da, Polly!«, rief Edna in Richtung Küche, als sie vom Sonntagmorgentee mit Silvia Strathborne zurückkehrte.
Polly hatte den ganzen Morgen darüber nachgegrübelt, wer der Mann sein könnte, mit dem Miss Divine zusammen gewesen war. Weshalb sonst hätte sie ihr solche Fragen gestellt? Und der einzige Mann, mit dem sie ausgegangen war, war Lance. Polly hätte fast der Schlag getroffen, als ihr klar wurde, dass offenbar Lance derjenige, welcher war. »O Gott!«, murmelte sie erschrocken. Das durfte sie nicht für sich behalten! Sie musste sich Mrs Ashby anvertrauen.
Edna sah ihr Hausmädchen prüfend an. »Was hast du denn, Polly? Du bist ja kreideweiß! Ist dir nicht gut?«
»Doch, doch, Mrs Ashby«, murmelte sie.
»Du hast doch irgendwas.«
»Ich … Miss Divine hat mich etwas gefragt, Mrs Ashby. Sie hat mir zwar nicht verboten, darüber zu sprechen, aber …«
»Was hat sie dich gefragt, Polly?«, fiel Edna ihr ins Wort. Nach dem Vorfall am Abend zuvor erschien ihr jede Kleinigkeit wichtig, die Licht in die Angelegenheit bringen könnte.
Polly sagte sich, dass Mrs Ashby es ja sowieso bald herausfinden würde. »Nun … Miss Divine wollte wissen, woran eine Frau erkennt, ob etwas unterwegs ist.«
»Etwas unterwegs?« Edna starrte sie verständnislos an. Dann begriff sie plötzlich. »Du meinst, ob sie schwanger ist?«
»Ja, Mrs Ashby.«
»Warum interessiert sie das?«
Polly wusste nichts darauf zu erwidern, sie schaute ihre Arbeitgeberin ausdruckslos an.
»Amelia hat doch sicher nicht von sich gesprochen, oder? Nein, natürlich nicht«, gab Edna sich selbst die Antwort auf ihre Frage und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Der Gedanke ist geradezu lächerlich! Ich meine, woher soll sie … Sie hat sich nie auch nur mit einem Mann getroffen, abgesehen von …« Edna wurde blass. »Von Lance«, stieß sie atemlos hervor. War ihr Mündel nicht am Vorabend drüben bei ihrem Sohn gewesen? Aber so weit würde Lance niemals gehen! Auf keinen Fall!
»Mehr weiß ich auch nicht, Mrs Ashby«, sagte Polly kleinlaut. »Wenn man mit einem Mann zusammen war … wie lange dauert es dann, bis man weiß, ob man schwanger ist? Das waren ungefähr ihre Worte, Mrs Ashby.«
Edna schlug erschrocken die Hand vor den Mund. Im Geiste sah sie Amelia weinend in der Dunkelheit
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