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Die Insel der roten Erde Roman

Titel: Die Insel der roten Erde Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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paar Steine unter ihren Füßen lösten.
    »Keine Angst, es kann nichts passieren«, beruhigte Sarah sie und winkte sie zu sich. »Kommen Sie, das müssen Sie sich ansehen!«
    Amelia trat zögernd näher. Die Abbruchkante kam ihr wesentlich brüchiger vor als an der Küste von Cape du Couedic.
    »Ist der Blick nicht herrlich?« Sarah sah sie erwartungsvoll an. Wolken waren aufgezogen, und der Dunst ließ die Farben des Sonnenuntergangs verblassen. Der Blick war nicht annähernd so eindrucksvoll wie auf Cape du Couedic, doch das behielt Amelia für sich.
     
    Edna saß mit Charlton im Salon und stickte, doch sie konnte sich heute nicht recht an ihrer Handarbeit erfreuen. Sie verspürte eine quälende innere Unruhe, die sie sich selbst nicht erklären konnte. Lance war auf eine Tasse Tee vorbeigekommen. Er war gedrückter Stimmung. Olivia hatte alle seine Versuche vereitelt, mit ihr zu reden, indem sie ihm aus dem Weg gegangen war. Anscheinend wollte sie nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er hatte sie zu tief verletzt.
    »Ich mache mir Sorgen wegen Amelia«, sagte Edna. »Sie ist mit Miss Jones zu einem Spaziergang nach Reeves Point aufgebrochen.«
    Als Lance sie verwundert ansah, erklärte sie ihm die Beweggründe ihres Mündels und fügte beunruhigt hinzu: »Die beiden sind schon lange weg.«
    »So lange nun auch wieder nicht«, widersprach Charlton mit einem Blick auf die Kaminuhr.
    Edna hatte ein ungutes Gefühl. Sie befürchtete, die beiden Frauen könnten in Streit geraten. Sie wusste doch, wie überreizt ihr Mündel zuweilen reagierte! »Lance, wärst du so gut und gehst ihnen nach? Nur um ganz sicher zu sein, dass alles in Ordnung ist? Das wäre mir wirklich eine Beruhigung.«
    »Ich weiß nicht, Mutter. Ich glaube, ich sollte die beiden lieber nicht stören.«
    »Das brauchst du auch nicht. Beobachte sie aus der Ferne. Wenn du das Gefühl hast, es ist alles in Ordnung, machst du wieder kehrt. Bitte, Lance, geh mir zuliebe! Sonst mache ich mich noch verrückt vor Sorge.«
    »Also gut«, erwiderte Lance seufzend. »Ich werde schauen, wo sie sind, und komme dann wieder.«
    Edna war erleichtert. »Danke, mein Sohn.«
     
    Amelia und Sarah standen nebeneinander am Rand des Kliffs. Der Wind hatte fast Sturmstärke, und Sarah durchlebte im Geist die dramatischen Minuten, nachdem die Gazelle auf das Riff aufgelaufen war. Sie spürte wieder die Gischt auf ihrem Gesicht und sah sich hinter Lucy im Rettungsboot sitzen. Sie sah Lucys Hinterkopf so deutlich, als stünde das Mädchen vor ihr. Sie hörte Amelias herrische Stimme, hörte, wie sie Lucy befahl, sofort aus dem Rettungsboot zu klettern. Sie senkte den Blick, starrte auf die zerklüfteten Felsen und die brodelnde Brandung tief unter ihnen. Ein kleiner Schubs, und Amelia wäre verschwunden – und mit ihr alle ihre Probleme. So einfach war das. Sie waren ganz allein, keine Zeugen weit und breit. Sie würde sagen, Amelia sei ausgerutscht und abgestürzt. Ein tragischer Unfall …
     
    Als Lance bei Reeves Point eintraf, lag der Ort verlassen da. Er dachte schon, seine Mutter müsse sich geirrt haben, was das Ziel der beiden jungen Frauen betraf, als sein Blick zur Steilküste hinaufwanderte und er sie dort oben stehen sah. Der Wind zerrte an ihren Haaren und ihrer Kleidung.
    »Was machen die beiden nur da oben?«, murmelte Lance vor sich hin. Das war doch viel zu gefährlich! Es schien, als hätte seine Mutter sich zu Recht Sorgen gemacht.
     
    Sarah sah Lucys Gesicht vor sich, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie hatte so verloren dreingeschaut, so unendlich traurig, als sie aus dem Rettungsboot geklettert war und wieder an Bord des sinkenden Schiffes gestanden hatte. Lucy hatte gewusst, dass sie zum Tode verurteilt war, und Sarah erinnerte sich an die blinde Wut auf Amelia, die sie in diesem Augenblick erfasst hatte. Unwillkürlich ballte sie die Fäuste. Sie wusste, was sie zu tun hatte.
    Sarah wandte sich Amelia zu. Als sie die Hand ausstreckte, um Amelia einen Stoß zu versetzen, gaben plötzlich ein paar Steine unter ihr nach. Sie rutschte aus, verlor das Gleichgewicht und stürzte. Noch im Fallen starrte sie in Amelias Gesicht. Alles schien so langsam abzulaufen, als würden die Sekunden sich endlos dehnen.
    Lance sah eine der beiden Frauen ausrutschen und stürzen, während die andere sich blitzschnell bückte, um sie zu packen. So schnell seine Füße ihn trugen, kletterte er den Felshang hinauf. Oben angelangt, war er völlig außer Atem und musste

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