Die Insel der roten Erde Roman
Spaziergang begleiten«, sagte sie beiläufig. »Ob er es wohl erlauben wird?«
»Ein Spaziergang? Mit Ihnen?« Amelia wusste nicht, was sie davon halten sollte.
»Ja. Ich würde mich gern ein wenig mit Ihnen unterhalten, von Frau zu Frau, und Sie sind die Einzige, die ungefähr in meinem Alter ist«, schmeichelte sie ihr. »Abgesehen von Polly. Aber wenn ich Polly etwas über Lance erzähle, wird sie es gleich Mrs Ashby weitererzählen, und das möchte ich nicht. Tun Sie mir den Gefallen?«, fragte sie mit zuckersüßer Stimme.
»Sicher, warum nicht«, antwortete Amelia ein wenig ratlos. »Ich verstehe nur nicht, wieso Sie sich ausgerechnet mit mir unterhalten wollen.«
»Nun, ich bin ein wenig nervös wegen meiner bevorstehenden Hochzeit mit Lance. Früher hätte ich so etwas mit Lucy besprechen können, aber nun, da sie nicht mehr da ist …« Sarah ließ absichtlich Lucys Namen einfließen, um Amelia ein schlechtes Gewissen zu bereiten.
»Ich verstehe«, erwiderte Amelia und senkte den Kopf. Miss Divine hatte Recht: Ihr eine gute Zuhörerin zu sein war das Mindeste, das sie für sie tun konnte.
»Dann haben Sie nichts dagegen, wenn ich Evan frage?«
Amelia schüttelte den Kopf. Sie hatte die Farm seit ihrer Ankunft hier nicht verlassen. Ein kleiner Spaziergang würde ihr gut tun. »Nein, aber seien Sie nicht enttäuscht, wenn er Nein sagt. Ich glaube, er ist drüben im Stall. Die Kinder kommen gegen drei Uhr aus der Schule, und er wird sicher wollen, dass ich dann da bin.«
»Wir sind höchstens eine Stunde fort«, versicherte Sarah. »Die Älteste könnte sicher solange auf die Kleinen aufpassen.« Sie würde schon dafür sorgen, dass Evan Amelia gehen ließ. Ihre ganze Zukunft hing davon ab. Eilig machte sie sich auf die Suche nach Evan. Amelia blickte ihr kopfschüttelnd nach. Sie war überzeugt, Evan würde ihr eine Abfuhr erteilen.
Kurze Zeit später kam Sarah zurück. »Evan sagt, Sie können ausnahmsweise gehen, vorausgesetzt, Sie haben Ihre Arbeit getan und das Abendessen vorbereitet.« Dass sie Evan ein wenig unter Druck gesetzt hatte, indem sie ihn daran erinnerte, dass ihr Verlobter Lance ihm bei der Ernte geholfen hatte, behielt Sarah für sich. Sie vermutete auch, Evan habe ihre Bitte deshalb nicht abgelehnt, weil er Charlton, seinen Pachtherrn, nicht verärgern wollte.
»Oh!« Amelia war ehrlich erstaunt. »Ich bin fast fertig mit allem, ich muss nur noch die Wäsche abnehmen. Das Abendessen steht schon auf dem Herd. Mrs Ashby hat Evan freundlicherweise ein Stück Lammfleisch mitgegeben, und ich habe einen Eintopf gemacht, der vor sich hin köchelt.«
»Sie können kochen ?« Die Frage war Sarah herausgerutscht, bevor sie es verhindern konnte. Sie sah die dünkelhafte Amelia vor sich, die sie an Bord der Gazelle kennen gelernt hatte. Damals hätte sie nicht einmal einen Kochtopf von einem Pferdehintern unterscheiden können.
Amelia bemerkte weder Sarahs verblüffte Miene, noch fiel ihr die Merkwürdigkeit der Frage auf. »Es geht so. Anfangs war ich ein hoffnungsloser Fall, und Evan war oft ziemlich böse auf mich. Entweder habe ich alles anbrennen lassen oder noch halb roh auf den Tisch gestellt. Sissie hat mir dann gezeigt, wie ihre Mutter einen Eintopf zubereitete. Das ist gar so nicht schwer, man braucht nur die richtigen Zutaten, gibt alles in einen Topf, fügt ein wenig Wasser und Salz hinzu und lässt es dann langsam garen. Zum Glück haben die Vorpächter uns einen reichhaltigen Gemüsegarten hinterlassen.« Sie hatte gerade zwischen Möhren und Kartoffeln Unkraut gejätet.
Sarah, die das alles herzlich wenig interessierte, nickte. »Gut. Ich hole Sie dann gegen halb fünf ab.« Sie frohlockte innerlich, weil alles nach Plan lief. Bald wäre ein weiteres Hindernis auf dem Weg zu ihrem Glück beseitigt.
»Ist gut.« Amelia blickte ihr leicht irritiert nach.
Als Sarah den Ashbys erzählte, sie werde vor dem Abendessen einen kleinen Spaziergang nach Reeves Point machen, wobei Sarah Jones sie begleitete, war Edna das Erstaunen vom Gesicht abzulesen.
»Ich dachte, du kannst Miss Jones nicht ausstehen! Und jetzt willst du mit ihr spazieren gehen?«
Sarah hatte mit dieser Frage gerechnet und sich vorbereitet. »Wir haben uns gestern ausgesprochen und beschlossen, Frieden zu schließen«, antwortete sie.
»Das freut mich, Amelia!« Charlton war sicher, dass sein Mündel damit einen Schritt in die richtige Richtung machte.
»Ich kann ihr nicht verzeihen, dass Lucy ihretwegen den
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