Die Insel der roten Erde Roman
geschehen? Und wo warst du, Amelia?«
»Beim Untergang der Gazelle wurden nur ich und eine Strafgefangene gerettet. Kurz darauf schlug ich mir so schlimm den Kopf an, dass ich mein Gedächtnis verlor. Die Zuchthäuslerin nutzte die Situation aus. Sie behauptete, Amelia Divine zu sein, und erklärte, ich sei die Hilfskraft, die einem Farmer auf Cape du Couedic geschickt worden war. Dabei war es diese Frau, die ihre Reststrafe bei Evan verbüßen musste. Sie fuhr zu den Ashbys und gab sich für mich aus. Sie hatten keinen Grund zu der Annahme, dass sie log.«
»Das ist ja eine unglaubliche Geschichte!«, staunte Brian. Er hatte sich alle möglichen Erklärungen überlegt, weshalb Amelia ihn nicht hatte sehen wollen, doch darauf wäre er nie gekommen. »Ich hätte auf einem Treffen bestehen müssen. Dann hätte sich die Sache ganz schnell aufgeklärt, und wir hätten dir zu Hilfe kommen können.«
»Die Frau wusste natürlich, dass Sie den Betrug sofort aufgedeckt hätten, deshalb wollte sie unter keinen Umständen mit Ihnen zusammentreffen«, sagte Charlton. »Als wir eine Begegnung zu erzwingen versuchten, erfand sie eine unschöne Geschichte über Sie. Ich bedaure das Ganze zutiefst, Mr Huxwell. Mir ist klar, wie sehr Sie darunter gelitten haben müssen.«
»Sie ahnen gar nicht, wie sehr«, antwortete Brian matt. Das Ganze hatte ihn so mitgenommen, dass seine Gesundheit schwer angegriffen war. Nachdem die Ashbys ihn praktisch hinausgeworfen hatten, war er fast versucht gewesen, seinem Leben ein Ende zu setzen. Er wusste nicht, wie er es geschafft hatte, nach Hause zurückzukehren. Dann hatte er eine Lungenentzündung bekommen, doch es war ihm egal gewesen; er hatte jeglichen Lebenswillen verloren. »Du bist da, Amelia, das ist die Hauptsache. Ich bin so froh, dass es dir gut geht. Ich hätte beinahe den Verstand verloren, als du mich nicht sehen wolltest, ohne dass ich eine Erklärung dafür hatte.«
»Das ist vorbei«, sagte Amelia sanft. »Das Leben geht weiter. Es wird Zeit, dass wir den Schmerz und die Schuldgefühle hinter uns lassen. Du gehörst zur Familie, Onkel Brian. Das war so, und es wird immer so sein. Ich habe dich sehr lieb; deshalb werde ich hier bleiben und dafür sorgen, dass du schnell wieder auf die Beine kommst!« Tapfer verbarg sie ihren Schmerz über die Trennung von Gabriel.
Brian warf Charlton einen flüchtigen Blick zu. Hatte er richtig gehört? Amelia wollte in Van-Diemens-Land bleiben? »Heißt das, du bleibst für immer hier?«
»Ich versuche, nicht allzu weit vorauszuplanen, Onkel Brian«, antwortete sie ausweichend und dachte wieder an Gabriel. »Aber ich habe hier einiges zu erledigen, und dafür brauche ich deine Hilfe. Jetzt musst du jedoch erst einmal wieder zu Kräften kommen und richtig gesund werden!«
Brian drückte zärtlich ihre Hände. Dass sie da war, schien ihm den Willen zurückzugeben, seine Krankheit zu besiegen.
Amelia hatte große Pläne. Sie hatte sich unterwegs überlegt, was sie mit ihrem Erbe anfangen wollte, und mit Charlton bereits darüber gesprochen. Er war sehr angetan von ihren Projekten.
Brian erholte sich tatsächlich. Amelia pflegte ihn aufopfernd, nachdem die mürrische Krankenschwester entlassen worden war. Charlton war ebenfalls geblieben und kümmerte sich sowohl um Brian wie um Amelia, die so viel durchgemacht hatte.
Weihnachten kam und ging. Zum Fest traf ein Brief von Edgar Dixon ein. Er hatte Amelia nach Kingscote geschrieben, und Edna hatte ihm geantwortet und ihn über die Entwicklung der Dinge unterrichtet. Er freue sich sehr für sie, schrieb er und berichtete, dass er im Lauf der nächsten Monate nach England zurückkehren werde, und zwar mit seiner schwangeren Gattin. Kurz nachdem sie beschlossen hatten, sich zu trennen, hatte Carlotta festgestellt, dass sie schwanger war – natürlich von ihrem Ehemann. Da sie Angst davor hatte, ihr Kind allein großziehen zu müssen, hatte sie Edgar angefleht, ihr zu verzeihen. Amelia entnahm dem Brief, dass Carlotta inzwischen sehr viel umgänglicher und sanftmütiger geworden war. Und Edgar hatte sich bereit erklärt, Carlotta um des Kindes willen noch eine Chance zu geben. Amelia wünschte ihm von Herzen, dass er mit seiner Frau und ihrem gemeinsamen Kind glücklich wurde.
Amelias Anwesenheit wirkte auf Brian wie ein kräftigendes Stärkungsmittel. Sie brachte Leben in sein Heim und füllte es mit Liebe.
»Ein Glück, dass du eine Haushälterin hast, die kochen kann«, sagte Amelia
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