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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Sie wehrte sich nicht, hielt die Blicke nur verzweifelt auf das Baby gerichtet. Einmal schweiften sie kurz über Bonnie und Victor. Ihre Lippen formten ein Wort: Bitte!
    Victor wusste nicht, was er tun sollte. Der Mann, dem die junge Frau jetzt gehörte, schien sich nicht für das Baby zu interessieren, nun mischte sich dagegen Corrière ein.
    »Moment, Moment, so geht’s ja nun nicht, sie kann nicht einfach das Balg verschenken. Monsieur Carbot, Sie wissen, der Code Noir verpflichtet uns, die Kinder bei den Müttern zu lassen. Ich … ich werde mich nicht strafbar machen …«
    Carbot lachte. »Sie gehört Ihnen doch gar nicht mehr«, sagte er mit einer Stimme, die Bonnie Schauer über den Rücken jagte. »Sie ist bereits mein. Und sie denkt mit, nicht wahr, meine Schöne … Belle, ja, Belle ist ein passender Name für dich. Also, Belle …« Er schürzte die Lippen. »Du sagst, das Kind ist gar nicht von dir?«
    Über das Gesicht der jungen Frau zog ein unbeschreiblicher Ausdruck der Trauer und des Abscheus vor diesem Mann. Siehatte beschlossen, sich von Namelok zu trennen – und nun sollte sie ihre Tochter auch noch verleugnen.
    Bonnie gab sich einen Ruck. »Nein«, sagte sie. »Ist … es ist meins. Sie … sie nur hat aufgepasst auf meine Baby. Und jetzt … jetzt wir gekommen, es zu holen.«
    Ihre Stimme klang erstickt, und sie zitterte vor Angst. Was war, wenn der Doktor das Kind nicht haben wollte?
    Corrière grinste mal wieder. »Tatsächlich, Monsieur? Da hat meine Sklavin kostenlos das Kindermädchen für Ihr Balg gespielt?« Er rieb Daumen und Zeigefinger Geld fordernd aneinander.
    Bonnie hatte Victor Dufresne noch nie so wütend gesehen. In den Augen des sanften Arztes stand Hass. Aber Victor beherrschte sich eisern. Er griff erneut nach seiner Börse, zog ein paar Scheine heraus und warf sie Corrière vor die Füße.
    »Das sollte reichen – für eine Stunde der Zeit Ihrer Sklavin. Und jetzt nimm dein Baby und geh, Bonnie. Bevor ich …«
    Victor sprach den Satz nicht zu Ende. Graute es ihm doch selbst vor dem Bild, das sich eben vor sein inneres Auge schob: Corrière, schreiend vor Schmerz und sich windend in Krämpfen, nachdem ein Sklave ihm Gift ins Essen gemischt hatte. Victor konnte sich nicht helfen. Er brachte plötzlich Verständnis auf für François Macandal und die Menschen, die für ihn töteten.
    Während er seine Gedanken energisch niederkämpfte, ließ er den Blick noch einmal kurz zum Podium wandern. Nameloks Mutter starrte auf ihr Baby, so als wollte sie sich seinen Anblick für immer einprägen.
    » Au revoir , Madame!«, sagte Victor leise. »Die Kleine wird es gut haben. Und Ihnen viel Glück!«
    Die Afrikanerin antwortete nicht. Sie sah Victor, Bonnie und Namelok nur unendlich traurig nach, bis die drei im Marktgetümmel verschwunden waren.
    Jefe und die Männer, an die er gefesselt war, hatte man schon bei Tagesanbruch auf den Markt gebracht, als Marie noch dabei war, Bonnie und die anderen Frauen für den Verkauf vorzubereiten. Um diese Zeit gab es noch nicht viele Schaulustige, dafür eine Menge ernsthafter Kaufinteressenten. Die großen Plantagen schickten ihre Käufer – meist Aufseher, in der Regel Männer mit langjähriger Erfahrung. Mitunter kamen die Besitzer aber auch selbst. Keiner von diesen Leuten sprach viel, während sie ihre Auswahl trafen, und wenn überhaupt, dann allenfalls mit den Händlern. Die Sklaven betrachteten sie wie Vieh, betasteten ihre Muskeln, inspizierten ihre Rücken und wiesen sie mit knappen Bewegungen ihrer Peitschen an, die Münder zu öffnen und eine Kontrolle ihrer Zähne zuzulassen. Kam einer der Schwarzen der Aufforderung nicht nach, schlugen sie zu. Nicht fest – schließlich lag es ihnen fern, anderer Leute Besitz zu beschädigen –, aber doch kräftig genug, damit der Sklave »spurte«.
    Jefe fing sich eine Anzahl dieser Schläge ein, bevor der Händler, ein Bekannter von Corrière, den dieser zuvor Pastis genannt hatte, den Sklaven anblitzte und die Peitsche auf seinen Rücken niederfahren ließ. Danach fügte sich Jefe, brennend vor Wut – ein Gefühl, das sich auch in den Augen dreier anderer in seiner Gruppe spiegelte. In denen der restlichen vier stand schlichte Resignation. Jefe bekam nicht jedes Gespräch zwischen Händler und Kaufinteressent mit, er begriff jedoch, dass etliche Kunden zu handeln versuchten. Sie hätten gern nur die friedfertigen Sklaven gehabt, jeder dieser Männer wusste, dass Arbeiter wie

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