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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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nicht die geringste Lust, zu dem Stand zurückzukehren, auf dem Corrière seine Huren anbot. Allerdings waren sie in der Nähe, und wenn Bonnies Seligkeit davon abhing …
    An Corrières Stand begann eben eine Versteigerung, eine der letzten. Der Händler veräußerte das »Glanzstück seines heutigen Angebots«, wie er mit schmierigem Lächeln erklärte. Und tatsächlich überboten sich die Männer gegenseitig. Die große Afrikanerin, die auf dem Podium stand, ihr Kind an sich gedrückt hielt und ins Nichts starrte, war inzwischen fast nackt, Corrière zog ihr einen der Fetzen nach dem anderen vom Körper. Scham schien sie allerdings nicht zu empfinden. Sie wirkte wie eine Statue aus schwarzem Stein. Die Männer machte das völlig verrückt. Zu den ernsthaften Bietern gehörten jedoch nur zwei. Victor kannte einen von ihnen. Dem dicken, schmutzigen Petit gehörten etliche Hurenhäuser im Hafen. Mitunter schlich sich eins seiner Mädchen in Victors Armensprechstunde. Der andere Mann wirkte kaum sympathischer, er leckte sich ständig die Lippen und wirkte verschlagen und bösartig. Victor wünschte der jungen Frau fast, dass Petit den Zuschlag bekam.
    Jetzt erst bemerkte Corrière den Arzt in der Reihe der Bietenden. Er grinste sofort zu ihm hinunter.
    »Nanu, Doktor! Sie sind noch mal zurückgekommen? Sind Sie die Piratenbraut schon leid? Aber Umtauschen ist nicht, da müssen Sie schon noch mal tief in die Tasche greifen!«
    Bonnie schoss das Blut ins Gesicht, doch Victor sah den Mann nur mit kühler Verachtung an. Und spürte erneut die Blicke der großen schwarzen Frau auf sich ruhen. Sie schien aus ihrer Starre erwacht zu sein, als Corrière den Arzt ansprach. Ihre Augen begannen zu glänzen, und ein Zittern durchfuhr ihren Körper.
    Victor stellte rasch seine Frage, und Corrière nickte ihm zu. »Gleich, Doktor. Erst müssen wir das hier zu einem Endebringen. Wenn Sie also nicht bieten möchten … Was ist mit dir, Petit?«
    Das letzte Gebot war von dem verschlagenen Fremden gekommen. Und es lag wesentlich höher als das vorige von Petit. Der Dicke machte eine abwehrende Handbewegung. Er gab auf.
    »Dann also zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten – die entzückende junge Frau geht an Monsieur Carbot aus Port-au-Prince. Eine weite Reise. Aber hat sich doch gelohnt für die Kleine, oder? Und das Baby gibt’s als Dreingabe … Auch ein Mädchen. Wird sicher hübsch. Wenn Sie’s ein paar Jahre füttern …«
    Corrière drückte die Hand des Mannes, der den Mund zu etwas verzog, was wohl ein Lächeln sein sollte, bevor er sich der Frau auf dem Podium zuwandte. Dem Baby gönnte er keinen Blick. Bonnie erfasste ein eisiges Gefühl. Niemand in Port-au-Prince würde wissen, dass es Namelok je gegeben hatte, wenn dieser Kerl mit seiner Sklavin dort ankam.
    »Und nun zu Ihnen, Doktor.« Corrière strich sich eine schweißfeuchte Haarsträhne aus dem Gesicht. Er schien zufrieden. An diesem Tag hatte er sehr gut verdient. »Tut mir ja leid, dass Sie Ihre Piratensammlung heute nicht vervollständigen können, der Große ist gleich morgens übern Ladentisch gegangen. Ansehnliche Plantage, irgendwo südöstlich von hier …«
    Bonnies Augen wurden riesig. »Er ist weg?«, fragte sie erstickt. »Wo … wer …?«
    »Wissen Sie zufällig noch, wer ihn gekauft hat?«, fragte Victor.
    Corrière schüttelte den Kopf. »Nee. Das hab ich gar nicht gemacht, ich hab die Kerle ’nem Bekannten in Kommission gegeben. Den kann ich natürlich fragen, aber der verkauft jeden Markttag fünfzig von den Niggern.«
    Victor legte Bonnie tröstend die Hand auf die Schultern und hoffte, dass die Geste nicht aufreizend wirkte. Doch bevor ermit ihr gehen konnte, kam Leben in die schwarze Frau auf dem Podium, die sich eben noch fast unbeteiligt von ihrem künftigen Herrn hatte betasten lassen.
    »Du! Warte! Pi… Piratenbraut!«
    Bonnie sah erstaunt zu ihr hoch, desgleichen Victor. Die Frau schien aufzuatmen, dass sie die Aufmerksamkeit der beiden erregt hatte. Sie bewegte sich rasch und fast katzenhaft schnell an den Rand des Podiums. Ihr Käufer wollte sie festhalten, doch sie war schneller.
    »Hier!« Bevor irgendjemand sie zurückreißen konnte, hatte sie Bonnie ihr Baby in die Arme gelegt. »Sie Namelok. Sie Mädchen. Sie jetzt deins!«
    Bonnie hielt das Kind an sich gepresst, während um sie herum ein Tumult losbrach. Der Käufer packte seine neue Sklavin und schlug sie brutal. Dann stieß er sie zurück in die Mitte des Podiums.

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