Die Insel der roten Mangroven
man ihr das Jackett sicher abgenommen und sie so zur Schau gestellt. Victor war froh über seinen Entschluss, ihr das zu ersparen.
Während Bonnie rasch den Umhang über das Kleid zog, merkte der junge Arzt, dass die Augen der schlanken schwarzen Schönheit auf dem Podium immer noch auf ihn und Bonnie gerichtet waren. Langsam wurde ihm das unheimlich.
»Dann komm jetzt, Bonnie«, meinte er schließlich. »Wir gehen nach Hause. Da kannst du dich auch umziehen. Deine alten Kleider wird Amali ja noch haben.« Während Bonnies Aufenthalt bei den Dufresnes hatten die Frauen zwei Kleider der Zofe für sie geändert.
Bonnie, die sich inzwischen gefasst hatte, schüttelte den Kopf.»Nein … nein. Tut … tut mir leid, Mèz Victor. Zuerst … zuerst müssen wir Caesar suchen.«
Victor sah sie erstaunt an. »Caesar ist auch hier?«, erkundigte er sich. »Was ist denn überhaupt passiert, Bonnie?«
Bonnie berichtete aufgeregt, was ihnen widerfahren war, ihre Stimme überschlug sich beinahe. »Und dann haben sie ihn angekettet … mit vielen anderen Schwarzen, riesigen Kerlen, zwei davon sahen aus wie Schläger«, endete sie schließlich mit der Schilderung von ihrer und Jefes Einlieferung im Haus des Händlers Corrière. »Mit denen kriegt er bestimmt Ärger … und …«
Noch während sie sprach, rannte Bonnie voraus über den Markt und hielt hektisch Ausschau nach ihrem Freund. Victor folgte ihr wenig begeistert. Er machte sich keine besonderen Sorgen um den großen Schwarzen, der würde mit den anderen Sklaven schon zurechtkommen. Und sonst … Victor hatte den starken Verdacht, dass der junge Mann nicht ganz unschuldig an dem war, was Bonnie und ihm zugestoßen war. Zudem würde es Victor ein weiteres kleines Vermögen kosten, den zweiten Sklaven auch noch zu kaufen. Für so kräftige Feldsklaven zahlten die Pflanzer hohe Summen. In die Kasse des Arzthaushalts Dufresne würde das eine ziemlich Lücke reißen.
Wenn Victor sich trotzdem nicht wehrte, mit Bonnie noch einmal über den Markt zu ziehen, so nur wegen Deirdre. Es würde sie glücklich machen, ihren Pferdeknecht zurückzubekommen. Mit dessen Ersatz wurde sie einfach nicht warm. Victor konnte das zwar nicht nachvollziehen, er selbst fand Leon wesentlich sympathischer und vor allem umgänglicher als den selbstbewussten Freibeuter. Für Deirdre war er jedoch bereit, Caesar zurückzuholen. Er hätte inzwischen fast alles getan, um sie aufzuheitern, wenngleich er befürchtete, dass Bonnies Freund nicht lange bleiben würde.
Der junge Arzt rieb sich die Stirn. Wahrscheinlich würdeCaesar Ausbruchspläne schmieden, sobald man ihm die Ketten abnahm, und dann ging alles von vorn los. Aber gut, er würde es vom Zufall abhängig machen. Wenn sie den großen Schwarzen fanden, würde er sehen, was er für ihn tun konnte.
Bonnie dagegen hegte keine Zweifel. Sie hatte ihr eigenes Schicksal schon fast vergessen und sorgte sich nur noch um den Freund. Bonnie erkundete den Markt, schaute bei jedem Stand genau hin, um Jefe um Himmels willen nicht zu übersehen, und blickte sich auch immer wieder um, ob Victor ihr sicher folgte. Der Arzt wirkte nicht wirklich begeistert davon, Jefe auch noch freizukaufen, und schließlich dachte Bonnie auch mit einem Anflug schlechten Gewissens daran, ob es wirklich ein Glück für den Doktor sein würde, wenn Jefe zurück in dessen Haus kam. Wenn es stimmte, dass da etwas gewesen war zwischen Jefe und der Missis … Aber damit würde sie sich später beschäftigen. Jetzt musste er erst mal gerettet werden … Bonnie merkte gar nicht, dass sie schon zweimal über den Markt gelaufen waren, ohne den jungen Mann zu finden.
»Das bringt nichts, Bonnie«, sagte Victor schließlich, halb mitleidig, halb streng. »Er ist offensichtlich nicht mehr da. Und das ist auch nicht verwunderlich, die Aufseher von den Plantagen kommen früh zum Markt, bevor die besten Sklaven weg sind. Sie haben ja meist noch einen weiten Weg mit den Negern und wollen vor Dunkelheit zurück sein.«
Victor nahm das zumindest an. Er selbst hätte mit einer ganzen Gruppe von Schwarzen wie Caesar keine Nacht auf der Straße verbringen wollen.
Bonnie fuhr sich nervös durch ihr kurzes Haar. »Aber es kann nicht sein … er kann nicht … und wenn … wenn wir ihn doch verpassen …« Sie war noch nicht bereit, ihre Hoffnungen aufzugeben.
»Wir könnten den Händler fragen!«, fiel ihr plötzlich ein. »Diesen … diesen Corrière!«
Victor seufzte. Er hatte
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