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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Männer hinter ihm. »Macandal!«
    »Den Geist von Hispaniola!«, rief Damon.
    Macandal lächelte ihm zu. »Oh, ich bin kein Geist, mein Freund. Ich bin ein Mensch, wie Jesus Christus es auch war, geschickt von Gott, um euch zu eurer Rache zu führen. Gemeinsam werden wir die weiße Pest hinwegfegen von Hispaniola! Und wenn wir dabei den Eindruck erwecken, hier wären Armeen von Geistern unterwegs, dann ist das ganz richtig so. Wir schüren Angst unter den Weißen, wir wollen, dass sie vor uns zittern!«
    Macandal schaute beifallheischend in die Runde, doch der erwartete Jubel blieb aus. Er blickte streng von einem seiner Zuhörer zum anderen.
    »Sehe ich da Bedenken, sehe ich Zweifel in euren Augen? Hat man euch degradiert, aus den Häusern der Weißen geworfen, nachdem einer meiner Jünger unter euren Herren gewütet hat? Habt ihr das Gefühl gehabt, als hätte Gottes Zorn eher euch getroffen und nicht die Mèz? Aber so dürft ihr nicht denken! Natürlich, mancher von euch schuftet jetzt vielleicht auf den Feldern, statt leichte Arbeit im Haus zu verrichten. Aber trotzdem habt ihr einen Sieg errungen! Ihr habt den Pflanzern Angst gemacht. Hört ihr? Versteht ihr? Eure Herren, eure Aufseher haben Angst vor euch!«
    Die Sklaven regten sich, als er die letzten Worte in den Raum schleuderte. Einige tuschelten, andere gaben gedämpfte Beifallsbekundungen von sich, und in den Augen fast aller begann sich das Leuchten im Blick des Schwarzen Messias zu spiegeln.
    »Natürlich ist es nicht leicht«, sprach Macandal nun weiter. »Niemand sagt, dass es leicht ist, die Freiheit zu erlangen, und dass es ohne Opfer geht. Der Weg in die Freiheit, meine Freunde, bedeutet, den Weißen den Weg in die Hölle zu bahnen. Es wird also heiß, es wird gefährlich. So mancher von uns wird dabei verbrennen oder dem Teufel begegnen, wir mögen gezwungen sein, Seite an Seite mit ihm zu kämpfen. Was istjedoch der Teufel gegenüber den Männern und Frauen, die sich eure Herren nennen, die sich anmaßen, euch zu ›besitzen‹? Die euch auf Märkten verschachern, eure Körper ausbeuten und versuchen, eure Seelen auf ihren Altären des Mammon zu opfern? Verglichen mit ihnen ist der Teufel ein Freund! Also zieht ihm lachend entgegen! Wenn wir die Weißen in die Hölle führen müssen, wenn wir ihnen dorthin vorausgehen müssen, bevor wir das Paradies erlangen, dann sei es so!«
    Macandal lief vor seinen Zuhörern hin und her und fixierte immer wieder den einen oder anderen mit seinen glühenden Blicken, als spräche er ganz allein zu ihm. Jefe fühlte sich an die letzten Worte Captain Seegalls erinnert. Auch der Pirat hatte sich nicht vor dem Teufel gefürchtet.
    »Hast du Angst zu töten, Schwester?«, wandte sich Macandal jetzt an eine kleine, zierliche Schwarze in der ersten Reihe, die Jefe entfernt an Bonnie erinnerte.
    Die Frau lachte bitter. »Meine Tochter starb am Fieber, einen Arzt ließ der Mèz nicht kommen. Mein Sohn starb beim Roden eines Feldes, weil es dem Aufseher nicht schnell genug gehen konnte, bis die Bäume fielen. Mein zweiter Sohn starb am Galgen, nachdem er in seiner Wut und seinem Schmerz eben diesen Kerl dafür schlug. Wie soll ich da Skrupel haben zu töten? Wie soll ich da Angst haben vor der Hölle? Viel schlimmer, als das, was ich erlebt habe, kann sie nicht sein. Also, wenn du mir Gift gibst, Macandal, werde ich es den Mèz ins Essen mischen. Wenn du mir eine Pistole gibst, werde ich sie erschießen, und wenn du mir eine Machete gibst, haue ich sie in Stücke. Ich freue mich auf den Kampf, Macandal! Sag mir nur, wann ich beginnen kann.« Sie stand auf und hob die Faust.
    Macandal nickte der Frau anerkennend zu, dann ließ er den Blick wieder über die Sklaven schweifen, er blieb an Jefe hängen. Der Schwarze Messias blitzte ihn an.
    »Kannst du warten, Bruder?«
    Jefe erwiderte den Blick. »Ich warte nicht gern.«
    Macandal lachte. »Kein guter Mann wartet gern«, bemerkte er, »doch die Rache ist ein Gericht, das man kalt genießt, junger Mann.«
    »Werde ich es denn noch erleben?« Damon unterbrach den Wortwechsel zwischen Macandal und Jefe. Seine Stimme klang dringlich, natürlich, er war kein junger Mann mehr. »Werde ich noch die Luft der Freiheit atmen können?«
    Macandals Blick wanderte in die Weite. »Es wird bald sein«, murmelte er, »es wird bald sein … Der Same ist schon gelegt. Die Pflanzer zittern vor Angst. In naher Zukunft werden wir dieses Land mit Feuer und Blut, mit Gift und Tod und Terror und

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