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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Gepäck wurde heraufgeschafft, und natürlich fand sich eine Zofe für Nora, die sofort begann, sie den Ansprüchen der Dufresnes entsprechend herzurichten.
    Doug beobachtete ihre Bemühungen mit gerunzelter Stirn. »Nora, es ist mitten am Tag«, bemerkte er, als die Zofe ihr das Haar aufsteckte und puderte. »Wie willst du dich da am Abend noch steigern?«
    Nora lachte. »Du wirst überrascht sein, Liebster. Aber nun mach, verwandele dich auch in einen Landadeligen. Wenn schon nicht in einen französischen, so doch wenigstens in einen englischen. Es bringt nichts, die Dufresnes zu brüskieren. Wir sind nun mal mit ihnen verwandt, und wenn wir herausbekommen wollen, ob das, was mit Deirdre passiert ist, hier seine Ursachen hat, dann sollten wir uns besser mit ihnen anfreunden.«
    Doug zwängte sich also in Kniehosen und Spangenschuhe und machte dann höflich Konversation mit Jacques und Louise Dufresne. Auch Deirdre und Victor hatten sich förmlich gekleidet, machten aber schon Pläne für einen weniger angespannten Nachmittag. Gemeinsame Pläne, wie Nora erleichtert feststellte.Victor wollte im Sklavenquartier nach dem Rechten sehen und Sprechstunde halten – und Deirdre plante, ihn zu begleiten und ihm zu helfen.
    »Das ist ja etwas ganz Neues, dass du dich für Krankenpflege interessierst, Dede!«, sagte Nora erfreut zu ihrer Tochter. »Trittst du doch noch in meine Fußstapfen?«
    Deirdre lächelte. »Wenn ich Victor ab und zu mal zu Gesicht bekommen will, bleibt mir gar nichts anderes übrig«, scherzte sie. »Und hier bei den Schwarzen … es geht ihm ja sonst keiner zur Hand.«
    Das wunderte Nora. An sich gab es in jedem Sklavenquartier Heiler, die über zumindest rudimentäre Kenntnisse der Naturmedizin verfügten und sich freuten, etwas dazulernen zu können. Und natürlich Frauen, die Krankenpflege betrieben, schon weil sie sich um ihre Angehörigen sorgten.
    Victor bedachte seine Schwiegermutter mit einem vielsagenden Blick, bevor sie ihrer Befremdung Ausdruck geben konnte. »Du kannst gern mitkommen, belle-mère «, lud er Nora ein. »Vielleicht …«
    Er sprach nicht weiter, aber natürlich ging es um die Hoffnung, mithilfe der weißen Heilerin vielleicht doch noch in Kontakt mit einer der hiesigen Baarm Maddas zu kommen. Nora stimmte eifrig zu. Sie brannte darauf, die Sklavenquartiere auf Nouveau Brissac zu sehen.
    Inzwischen hatten die Dufresnes und ihre Gäste sich gesetzt, und der erste Gang des Mittagsmahls war serviert. Doug stocherte sichtlich unbehaglich in seinem Krabbencocktail. Ob man Macandals Gifte wirklich nicht schmeckte?
    »Ach ja, richtig, Sie betätigen sich ja auch als eine Art … Arzt«, wandte Louise Dufresne sich an Nora. Das Wort Ärztin schien ihr nicht über die Lippen zu wollen. »Mir ist es ja ein Rätsel, wie man sich in diese Niederungen hinabbegeben kann, aber gut, es mag auch etwas Faszinierendes haben.« Es klang,als hätte Nora eben ihre Begeisterung für die Erforschung von Stechinsekten geäußert.
    »Es ist ein bisschen aus der Not geboren«, erklärte Nora gelassen. Sie erinnerte sich schmerzlich an die Tage mit Elias, ihrem ersten Mann. Sie hatte mitunter die nüchtern rechnende Kaufmannstochter vorgeschoben, um ihr Engagement in den Sklavenquartieren zu begründen. Etwas Ähnliches schien auch hier angebracht. »Unser einziger Arzt in Kingston … nun ja, er hat eine etwas zu enge Beziehung zu Rumflaschen, wenn Sie wissen, was ich meine. Und Schwarze behandelt er sowieso nicht. Also oblag es allein den Aufsehern, zwischen arbeitsfähig und nicht arbeitsfähig zu entscheiden, wenn ein Sklave sich krank meldete. Sie schickten die Leute fast immer auf die Felder – und sie starben oft an Krankheiten oder Verletzungen, die mit drei oder vier Fehltagen und entsprechender Pflege leicht hätten ausgeheilt werden können. Ein enormer finanzieller Verlust. So ein Feldsklave kostet ja ein kleines Vermögen. Inzwischen hat auf Jamaika fast jeder eingesehen, dass es preiswerter ist, einen Heilkundigen zu Hilfe zu bitten. Die ganz großen Plantagen beschäftigen sogar eigene Ärzte.«
    Victor nickte zustimmend. »Meine Rede, Vater! Deine Sklaven und dazu jetzt die von Gérôme … das sind um die sechshundert Leute. Es würde sich lohnen, dafür jemanden einzustellen. Ich könnte sogar selbst …«
    Er hielt inne. Natürlich zog er sein Haus in Cap-Français dem Schloss seiner Eltern vor, Deirdre mochte es jedoch glücklich machen, auf der Plantage zu leben. Ihr

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