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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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zurückzukommen … Doch da hörte er auch schon Hufschläge hinter sich. Natürlich, der Aufseher patrouillierte nicht zu Fuß … Jefe dachte verzweifelt nach, während er keuchend weiterlief. Was sollte er sagen? Wie sich rechtfertigen?
    Dann fiel ihm plötzlich etwas ein. Der Passierschein von Nora Fortnam! Er steckte immer noch in seiner Tasche. Und auch, wenn Oublier ihm natürlich niemals glauben würde, dass die Lady ihn mitten in der Nacht irgendwohin beordert hatte … es gab ihm doch eine Atempause.
    Jefe blieb stehen. »Nicht schießen, Mèz Oublier! Bitte, bitte, Sie mich erschrecken, deshalb … ich Caesar, Mèz, von Plantage hier. Ich nicht Ausbrecher!« Schwer atmend, aber mit gespielt harmlosem Gesichtsausdruck sah er zu dem Aufseher hoch.
    Oublier schnaubte. »Ach ja? Und warum läufst du dann vor mir weg, wenn du nichts zu verbergen hast? Was machst du hier, Caesar? Raus mit der Sprache!«
    Jefe hielt ihm mit nur halb gespieltem Zittern das Papier entgegen. »Hier, Mèz, Passierschein. Von Madame aus … aus große Haus. Ich ihr geholfen, da sie mir …«
    Jefe fiel siedendheiß ein, dass er sich mit Nora weder auf eine Geschichte geeinigt noch den Passierschein auch nur gelesen hatte. Nun, haltbar würde die Sache um diese Zeit sowieso nicht mehr sein. Doch immerhin ging der erste Teil der Rechnung auf. Der Aufseher griff nach dem Zettel. Jefe blickte zu Boden. Er brauchte eine Waffe … und verlor dann keine Zeit, als Oublier das Papier nah an seine Augen hielt, um im schwachen Mondlicht irgendetwas erkennen zu können. Wenn ihn das auch nur einen Herzschlag lang ablenkte …
    Jefe ergriff einen kräftigen Ast. Sie hatten hier die Bäume für die neuen Hütten im Sklavenquartier gefällt, und das Restholz war liegen geblieben. Jetzt rettete es ihm die Haut. Noch bevor Oublier reagieren konnte, schmetterte er den Knüppel mit aller Kraft gegen seinen Oberkörper. Der Aufseher schwankte im Sattel, und dann, als Jefe gleich noch einmal ausholte, erschrak auch noch sein Pferd. Der Rappe stieg – und Oubliers Füße rutschten aus den Steigbügeln.
    Jefe sah den Aufseher fallen und schlug sofort auf ihn ein. Es gab ein knackendes Geräusch, als der Knüppel Oubliers Schläfe traf – und Jefe wusste eigentlich, dass er nicht mehr tun musste. Seine angestaute Wut auf diesen Mann, und auch auf Deirdre, schuf sich jedoch Raum. Jefe schlug wieder und wieder zu. Erst als Oubliers Kopf nur noch eine blutige Masse war, kam er zur Besinnung – und erschrak über seine Tat.
    Schon auf den Angriff auf einen Aufseher stand der Tod – Jefe dachte an den Mann, der kurz vor seiner Ankunft auf der Plantage gehenkt worden war. Und er hatte nun einen von ihnen erschlagen. Es gab keine Chance, damit durchzukommen. Natürlich würden die anderen Sklaven für ihn lügen. Doch wenn man sie auspeitschte … niemand schwieg unter der Folter. Und Abel würde sich auch ganz ohne Peitschenhiebe binnen kürzester Zeit in Widersprüche verstricken. Nein, weder konnte er das Risiko eingehen, noch die anderen Sklaven mit in die Sache hineinziehen. Er konnte jedoch etwas anderes …
    Jefe zog kurz Bilanz, was alles durch den Mord in seinen Besitz gelangt war – ein Säbel, mit dem er besser umgehen konnte als die meisten Feinde, mit denen er es auf der Flucht zu tun haben konnte, eine Peitsche, eine Muskete und ein Pferd. Jefe wollte Deirdre hassen, aber im Moment dankte er dem Himmel für ihre Bemühungen, ihm zumindest die Grundbegriffe des Reitens beizubringen. Er konnte sich im Sattel halten, auch im Galopp. Und dieses Pferd trug einen schönen, bequemen Sattel …
    Jefe löste mit dem Säbel den Gürtel von der Leiche und zog Oublier auch die Stiefel aus. Sie passten ihm nicht ganz. Wenn er lange darin laufen müsste, würden sie drücken. Beim Reiten war es jedoch besser, Stiefel zu tragen, statt die Füße barfuß in die Steigbügel zu stellen. Das Pferd blieb brav stehen, als Jefe aufstieg. Er atmete auf. Dann trieb er den Rappen vorsichtig an. Der setzte sich in Bewegung, und Jefe warf einen letzten triumphierenden Blick auf seinen toten Feind und das Sklavenquartier von Roche aux Brumes.
    Er war wieder frei. Und wenn er jemals hierher zurückkehren würde, dann nur, um Rache zu nehmen!
    Jefe ritt so schnell er konnte auf die bewaldeten Hügel im Inland Hispaniolas zu. Die Insel war vom Meer her kolonialisiert worden, und die Kaffee-, Tabak- und Zuckerrohrplantagen fraßen sich immer weiter ins

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