Die Insel der roten Mangroven
nicht mehr zu erzählen«, meinte Jefe. »Mein Name ist Caesar. Big Black Caesar. Bringt ihr mich jetzt zu Macandal?«
»Wir dich bringen in Lager. Da du sehen Geist. Aber du nicht sagen Black Caesar. Nur Caesar. In Camp von Macandal alle schwarz.«
Jefe stieg ab und folgte den Männern zu Fuß, das Pferd tapste ihm brav hinterher. Die Wege, über die ihn die beiden führten, wären für einen Reiter auch schwer passierbar gewesen, Jefe allein hätte sie kaum gefunden. Man musste sich unter üppigem Buschwerk mit fleischigen Blättern und manchmal betörend duftenden, manchmal seltsam erdig oder gar verfault riechenden Blüten oder Rispen bücken. Der Weg war weit, und Jefe fragte sich, ob Macandal wirklich in einem so großen Kreis um sein Lager Wachen abstellte oder ob er nur zufällig einer Patrouille über den Weg gelaufen war.
»Wie viele seid ihr in eurem Lager?«, erkundigte er sich.
»In Einzellager nicht viele, zweihundert, dreihundert … Aber insgesamt … ganze Lakou … viele Tausend Mann und Frau. Sind Dörfer, auch … auch Lager …« Ein passenderes Wort schien dem Mann nicht einzufallen. »Wo lernen schießen, kämpfen, mischen Gift …«
Militärische Ausbildungslager. Also stimmte es, was man sich über Macandal und seine Organisation erzählte. Und die Gruppe selbst nannte sich Lakou, das Voodoo-Wort für Gemeinde. Macandal war also nicht nur ihr militärischer, sondern tatsächlich auch ihr spiritueller Führer.
Jefe war mehr als gespannt, als das Lager des Schwarzen Messias endlich in Sicht kam. Es lag gut versteckt im Schatten eines mit rötlichen Felsen überzogenen Hügels mitten im unberührten Urwald, den man bei der Anlage des Dorfes nicht angetastet hatte. In der Umgebung der Plantagen wurden die Wälder zumindest ausgedünnt, um lichter zu wirken, hier hatte man darauf verzichtet. Sicher bewusst, niemand erwartete mitten in diesem grünen Dschungel eine menschliche Ansiedlung.
Das Lager wirkte enttäuschend auf Jefe. Nach den Erzählungen seiner Mutter von Nanny Town hatte er eine Art afrikanisches Dorf mit Rundhütten, Einfriedungen und Feldern erwartet. Macandals Lager unterschied sich allerdings kaum von einer Sklavensiedlung. Auch hier waren die Häuser primitiv, klein, schnell aus Holz und Lehm gebaut. Es gab auch nur wenig Landwirtschaft. Um manche Häuser herum fanden sich Gärten, um andere nur festgestampfter Naturboden. Ein paar Schweine suchten zwischen den Hütten nach Nahrung, in einem Korral befanden sich schlecht genährte Rinder. Eine Überraschung bot lediglich der Versammlungsplatz vor dem Eingang zu einer Art Grotte oder Höhle im Hügel.
»Tempel«, erklärte einer von Jefes Begleitern und wies auf den Berg. Wahrscheinlich nutzte man diese natürliche Kathedrale für Gottesdienste.
»Hier gleich sprechen Geist«, fügte der andere Mann hinzu. »Du hinsetzen, zuhören. Danach reden.«
Auf dem freien Platz saßen schon etliche Schwarze, vorwiegend Männer. Jefe nahm an, dass dieses Lager hauptsächlich Kämpfer, weniger Familien beherbergte. Seine Begleiter wiesen ihm einen freien Platz an und setzten sich dann selbst. Jefe war unschlüssig. Er hätte sich gern ausgeruht, aber eigentlich musste er erst mal einen Platz für das Pferd finden. Ob es im Lager Ställe gab? Unsicher wandte er sich dem Korral zu, in dem die Rinder standen. Vielleicht konnte er den Rappen dazustellen oder wenigstens darin anbinden, und dann musste er Futter für das Tier finden.
Jefe entschied, das Pferd erst einmal in den Auslauf zu bringen und dann um Hilfe zu bitten. Als er jedoch Anstalten machte, das Tor zum Korral zu öffnen, schoss eine große, schlanke Frau aus der Hütte nebenan – einer niedrigen, ovalen Hütte, so wie man sie angeblich in Afrika baute. Die schlichte Konstruktion war ihm zuvor gar nicht aufgefallen, jetzt hätte Jefe sie sich gernnäher angesehen. Dazu bot sich allerdings keine Gelegenheit. Die Frau stellte sich ihm, sichtlich aufgebracht, entschlossen in den Weg.
»Meine Rinder!«, rief sie aggressiv.
Jefe bemerkte erst jetzt, da die Frau ihm mit blitzenden Augen und wütendem Gesichtsausdruck gegenüberstand, wie schön sie war. Das kurze Haar betonte ihre hohen Wangenknochen und brachte ihr edles Gesicht und die brombeerfarbenen dunkel umrandeten Lippen erst richtig zur Geltung. Ihre Augen waren groß und leicht schräg gestellt, und in den durchbohrten Ohrläppchen trug sie bunte Ringe. Auch ihre Kleidung war auffällig. Sie trug eine Art
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