Die Insel der roten Mangroven
Kaftan, vergleichbar mit dem, den Macandal bei seiner Rede getragen hatte. Er war leuchtend rot.
Jefe machte eine beschwichtigende Handbewegung. »Ich will gar nichts von deinen Rindern«, beteuerte er. »Ich wollte nur mein Pferd dazustellen.«
»Nicht zu meine Rinder!«, erklärte die Frau.
Weder Jefes Waffen noch sein imponierender Körperbau schienen sie in irgendeiner Weise zu beeindrucken. Um ihre Rinder zu schützen, hätte sie offenbar vor nichts zurückgeschreckt.
Jefe seufzte. »Wohin denn dann? Hast du einen Vorschlag? Habt ihr sonst keine Pferde? Oder Maultiere?«
Die Frau schien ihn nicht oder nur ungenügend zu verstehen.Jetzt kam jedoch eine andere, ähnlich gekleidete, aus Richtung des Versammlungsplatzes. Auch sie war jung und sehr hübsch, nur kleiner, gedrungener, mit üppigen Brüsten und langem Kraushaar. Ihr Kaftan war weiß.
»Keiner stielt deine Rinder, Sima«, begütigte sie. »Mach dir doch nicht immer solche Sorgen. Er hat sie dir gegeben, also behältst du sie auch.«
»Mann Pferd«, sagte die Schlanke unglücklich.
»Ich bin gerade angekommen und würde mir gern die Rededes Geistes anhören«, wandte Jefe sich an die Neue, die erfreulicherweise fließend Französisch sprach. »Aber vorher muss ich das Pferd irgendwo unterbringen. Und es würde sicher gern etwas fressen. Es ist weit gelaufen.«
Die Frau nickte verständnisvoll. »Wo das Futter ist, weiß ich nicht«, meinte sie. »Aber dahinten ist ein Schuppen für die Maultiere, da kannst du das Pferd hinstellen. Irgendjemand wird es dann schon füttern. Und du komm nun, Simaloi. Er wartet …«
Die rot gewandete Schöne nickte, beobachtete argwöhnisch, ob Jefe sich wirklich mit dem Pferd entfernte, bevor sie ihren Wachtposten aufgab, dann folgte sie der anderen.
Jefe fand das befremdlich, lief aber schnell zu dem improvisierten Pferdestall, in dem auch Futter lagerte. Er band den Rappen an, sattelte ihn ab und nahm den Sattel sowie die Waffen mit. Er glaubte nicht, dass man in Macandals Lager mit Diebstählen rechnen musste, die Frau mit den Rindern hatte ihn jedoch verunsichert. Wenn hier schon die Gefahr bestand, dass jemand magere Rinder stahl …
Jefe kam gerade in dem Moment auf den Versammlungsplatz, als sich die Holztür zu der Grotte im Berg öffnete. Zwei junge Mädchen stießen sie auf, dann strömten Frauen heraus und gruppierten sich rechts und links des Eingangs. Jefe nahm wahr, dass sie alle jung und schön waren – sie gehörten offenbar verschiedenen Stämmen an, einige waren auch Mischlinge oder trugen die Züge der indianischen Ureinwohner. Die Frauen waren außergewöhnlich reizvoll und ähnlich gekleidet wie die beiden, die er schon beim Rinderkorral kennengelernt hatte.
Jefe erhaschte einen Blick in die Grotte. Abgesehen von dem gespenstisch roten Leuchten – die rötlichen Felswände reflektierten das Licht etlicher Fackeln – glich das Heiligtum einem Obeah- oder Voodoo-Tempel. Es gab ein Feuer in der Mitte, anden Wänden hingen Götterfiguren verschiedenster afrikanischer Kulturen sowie Kreuze und Abbildungen der christlichen Dreifaltigkeit und der Muttergottes. Ein paar niedrige Hütten waren erstellt worden, in denen die Geister wohl Wohnung nehmen konnten. Die Obeah-Leute auf den Caymans pflegten sie um ihre eigenen Häuser herum zu gruppieren. Das legte den Gedanken nahe, dass Macandal in dieser Grotte wohnte. Es mochte tiefer drinnen weitere Räume geben.
Jetzt jedenfalls trat der drahtige, einarmige Mann ins Freie – ein gut geplanter Auftritt, denn eben ging die Sonne unter und hüllte den Führer und Voodoo-Priester dieser Gemeinde in ein gespenstisch rotes Licht. Macandal folgten zwei größere Männer – sicher Mayombe und Teysselo, die engsten Freunde des Geistes, wie man auf den Plantagen flüsterte. Angeblich stammten sie aus der gleichen Provinz in Afrika wie Macandal, auf jeden Fall wirkten sie ein wenig wie eine Leibgarde. Jefe beobachtete fasziniert, wie Macandal durch die Reihen der Frauen schritt, die sich sofort vor ihm niederwarfen und den Saum seiner Gewänder und seine Füße küssten. Einem Piraten wäre es niemals eingefallen, einem noch so sehr geschätzten Gegenüber derart untertänig zu huldigen, die Frauen schienen es hingegen willig und gern zu tun. Die große, schöne Frau – wie hatte die andere sie genannt? Sima? – stimmte ein betörendes Lied an. Ihre dunkle Stimme hatte Jefe eben schon fasziniert, nun, da sie sang, zog sie ihn so sehr in ihren
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