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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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eine Frage der Zeit, bis man ihn dabei erwischte. Und wenn sie womöglich auch wieder schwach wurde? Wenn sie Jacques oder Gérôme Dufresnes Aufsehern vielleicht beide in die Arme liefen? Was an diesem Nachmittag mit Nora geschehen war, konnte sich irgendwann mit Victor wiederholen. Und überhaupt. Caesar war Jefe, ihr Liebhaber war ihr Bruder. Und das konnte, konnte, konnte nicht sein …
    Deirdre zwang sich, Jefe in die Augen zu sehen und die ihren Blitze schleudern zu lassen. »O nein, das wirst du nicht, Caesar! Du wirst mir nicht hinterherlaufen, und ich werde dir nie wieder nachgeben …«
    Jefe lachte. »Und was willst du dagegen tun?«, neckte er sie. »Mich verraten? Alles über uns verraten?«
    Deirdre hielt seinem Blick stand. »Ich brauche gar nichts zu verraten. Ich würde dich auch nicht gleich an den Galgen bringen. Aber ein kleiner Hinweis, dass du mir lüsterne Blicke zuwirfst, sollte reichen, Caesar, für die Prügel, die meine Mutter dir angedroht hat. Lass mich in Ruhe, Caesar! Ich will nichts mehr von dir, ich liebe dich nicht … Und ja, in gewisser Hinsicht habe ich dich benutzt …«
    Es tat unendlich weh, das zu sagen, es war unsagbar schmerzhaft, den Glanz in seinen Augen brechen zu sehen.
    »Ich … ich war nur ein Spielzeug?«
    Deirdre holte tief Luft. »Ja«, sagte sie. »Ja, du warst ein sehr nettes Spielzeug. Bist du jetzt zufrieden? Und nun lass mich gehen, und du geh auch zurück. Morgen musst du arbeiten.«
    Sie hatte es gedankenlos dahingesagt, aber gerade diese letzten kurzen Worte ließen den Hass in Jefe aufglühen.
    »Ja, morgen bin ich wieder ein Sklave!«, schrie er. »Morgen bin ich wieder ein Nigger, ein Stück Dreck, ein …«
    »Du bist auch heute ein Sklave«, sagte Deirdre müde.
    Sie wollte diese Auseinandersetzung nur noch beenden. Und Jefe musste aufhören zu schreien. Amali, die sicher am Fenster lauerte, musste ihn schon hören, und es konnte auch mal ein anderer Dienstbote aus dem Haus treten oder gar jemand von der Herrschaft. Ihren Eltern zum Beispiel wäre ein nächtlicher Spaziergang im Garten durchaus zuzutrauen.
    »Also geh dorthin, wo du hingehörst.« Deirdre wandte sich zum Gehen.
    »Weißes Miststück!«
    Deirdre versuchte, nicht auf die Worte zu hören, die er ihr nachrief. Sie konnte ihn nicht lieben, und eine Liebe, die es nicht gab, konnte sie auch nicht verlieren.
    Deirdre war trotzdem untröstlich, als sie sich zurück in ihr Zimmer schlich.

DER SCHWARZE MESSIAS
    Saint-Domingue – Roche aux Brumes, Cap-Français,
    Macandals Lager
    Herbst 1756 – Anfang 1757

KAPITEL 1
    J efe war wie in Trance, als er endlich aufhörte, Deirdre zu beschimpfen. Sie hörte es ja doch nicht mehr, sie war längst im Haus verschwunden. Und er ging nur weitere Risiken ein, indem er herumpöbelte. Andererseits war er weit davon entfernt, an irgendwelche Gefahren zu denken. Es war zu schmerzlich, zu enttäuschend. Deirdre … er hatte alles für sie tun wollen, hatte letztlich die Mermaid und ihre Mannschaft für sie ans Messer geliefert, und nun stellte sich heraus, dass er ihr nie etwas bedeutet hatte. Wenn er ernsthaft darüber nachdachte, war es schon in Cap-Français abzusehen gewesen. Als sie ihm zuriet, mit Bonnie im Hafen zu bleiben. Das hätte ihr gefallen, ihr Spielzeug jederzeit zur Verfügung zu haben, gefesselt an Bonnie und einen langweiligen Laden …
    Jefe steigerte sich in seine Wut hinein, um den Schmerz zu betäuben. Und die Tränen, die ihm die Wangen hinunterliefen, während er sich zurück zum Sklavenquartier von Roche aux Brumes treiben ließ, erklärte er mit dem wieder einsetzenden Regen. O nein, er weinte nicht um dieses weiße Miststück. Wenn überhaupt, dann waren das Tränen der Wut, des Hasses … Er hatte die Weißen immer gehasst! Schon auf Grand Cayman. So, wie sein Vater sie gehasst hatte. Wie hatte er sich nur blenden lassen können von der Schönheit einer Deirdre Dufresne? Wie hatte er darüber Macandal vergessen können und seinen Entschluss, sobald wie möglich in die Berge zu fliehen?
    »Halt! Wer ist da?«
    Jefe hatte kaum bemerkt, dass er Nouveau Brissac inzwischen verlassen und das Gelände von Roche aux Brumes betreten hatte. Dabei hätte er längst vorsichtiger sein sollen, vom Schatten eines Baumes in den des nächsten huschen müssen. Er konnte das doch. Aber jetzt …
    »Stehenbleiben!« Die Stimme von Mèz Oublier …
    Jefe begann zu rennen. Wenn es ihm gelang, unerkannt ins Sklavenquartier

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