Die Insel der roten Mangroven
würde wiederkommen. Er musste wiederkommen und mit ihr reden. Vielleicht konnte er ihr Französisch beibringen. Vielleicht brauchte sie jemanden, der sich um sie kümmerte. Dabei vergaß er, dass sie bereits jemanden hatte, der sich um sie kümmerte oder doch zumindest ein gewisses Interesse für sie hegte. Es sollte ihm schmerzlich ins Gedächtnis gerückt werden, als er am nächsten Abend erneut der Predigt des Geistes lauschte. Denn in dieser Nacht erwählte Er Simaloi.
»Nimmt er jeden Tag eine andere?«, erkundigte Jefe sich unwillig bei seinem Nachbarn, als Macandal mit der schönen Massai-Frau in der Grotte verschwand.
Simaloi ging ebenso willig mit wie die junge Frau am Tag zuvor, allerdings blickte sie nicht so triumphierend um sich. Die Gunst Macandals mochte ihr eine Ehre sein, doch offensichtlich keine Freude.
Der junge Mann neben Jefe, ein drahtiger, eher kleiner Mulatte, der durch seine blitzenden schwarzen Augen und seine wallende Lockenmähne auffiel, lachte. Er hieß Michel, und die beiden teilten eine Hütte mit zwei weiteren Soldaten. Die Unterbringung in Macandals Lager unterschied sich nicht wesentlich von der im Sklavenquartier der Plantage, das Essen war sogar schlechter als auf Roche aux Brumes. Schließlich fehlte hier die Hand der begnadeten Köchin Charlene. Die Tagesarbeit kam Jefes Neigungen jedoch deutlich mehr entgegen als die Schufterei im Zuckerrohr. Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang widmeten sich die jungen Männer der Kriegskunst. Sie übten das Schießen mit modernen Waffen und alte, afrikanische Kampftechniken mit Stöcken und Speeren. In der Fechtkunst zeichnete sich niemand besonders aus, auch was blitzschnelles Laden und Abfeuern von Musketen anging, hätte Jefe selbst die Ausbilder leicht übertrumpfen können. Er hielt sich aber zurück, stolz auf seine Besonnenheit. Wenn es zum Angriff auf die Plantage kam, würde er allen zeigen, was er konnte, und sich damit vor dem auszeichnen, auf den es ankam. Macandal.
Jetzt dämmerte es ihm jedoch, dass sein Verhältnis zu dem Rebellenführer getrübt sein konnte, noch bevor es zum ersten Kampf kam. Jefe behagte es nicht, dass Macandal so selbstverständlich die Hand auf eine Frau legte, die ihm gefiel.
»Die Weiber sich drängen!«, antwortete jetzt Michel auf seine Frage. »Weil ist Segen sein Saft.« Er grinste. »Gibt auch immer Ärger in Dörfer, wenn Geist spricht. Frauen sich schleichen in sein Hütte. Hier ja nicht viele verheiratet, aber in Maroon-Dörfer schon. Geist dann muss sein gütig und schenken Maultier an Mann. Oder streng und nehmen weg Frau …«
»Er nimmt seinen Männern die Frauen weg?«, wunderte sich Jefe. »Mit Gewalt?«
Michel verdrehte die Augen. »Für Frau nicht brauchen Gewalt. Frauen alle wollen leben mit Macandal, anbeten ihn, kriegen sein Kinder … Aber Geist immer sagt, sie dableiben, bei ihre Männer. Außer wenn sehr, sehr schön. Und Mann auch will, dass dableiben, und wenn kriegen Esel, dann zufrieden, wenn Frau mit Geist …« Er vollführte eine obszöne Geste.
Die Sache mit den Frauen schien Macandals Schwäche zu sein – was Jefe sogar verstand. Auch er hatte es stets genossen, unter den Huren in den Häfen wählen zu dürfen. Wenn da nur nicht Simaloi gewesen wäre … Er drückte sich noch eine Zeit lang in der Nähe des Tempels herum, bis Macandal die junge Frau entließ, und folgte ihr dann zu ihrer Hütte. Sie fütterte ihre Rinder mit Getreide und Grünzeug, das sie ihnen wohl am Nachmittag geschnitten hatte, und hatte nichts dagegen, dass Jefe ihr dabei zur Hand ging.
»Du magst … den Geist?«, fragte er schließlich, als sie dann ihr abendliches Feuer entzündete – zu seiner Verwunderung mit getrockneten Kuhfladen als Brennmaterial.
Simaloi blickte ihn mit glühenden Augen an. »Ja! O ja! Er uns befreien. Er geben Land und Rinder! Er alle Weißen wird totmachen! Alle! Ich hassen Weiße!« Ihr schönes Gesicht verzog sich. Sie meinte es ernst.
Jefe hätte gern nach ihrer Hand gegriffen, er hielt sich jedoch zurück. Am Tag zuvor war sie schon zurückgeschreckt, als er sich nur etwas genähert hatte, um sich vor dem Regen zu schützen.
»Das ist auch mein Ziel!«, erklärte er. »Wir alle wollen die Weißen vernichten. Macandal ist da nicht der Einzige!«
»Aber zu Macandal sprechen Geister!«, behauptete Simaloi.
Jefe lächelte. »Und zu mir sprechen Musketen«, setzte er dagegen. »Zu mir spricht der Stahl meines Schwertes, spricht die Klinge meines
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