Die Insel der roten Mangroven
trotzdem noch hin – sollte er ins Schwitzen kommen, bevor er vor seinen Schöpfer trat. Er fügte ihm etliche Wunden zu, statt ihn mit einem Streich zu erledigen. Eine kleine Rache für den Hausdiener, Janine und sicher viele andere Mädchen. Der Pflanzer musste jetzt auch die Schreie seiner Frau und seiner Kinder anhören, die oben von den anderen Maroons niedergemetzelt wurden. Im Allgemeinen töteten sie rasch und leise, aber wenn die Haussklaven von besonders tiefem Hass auf ihren Mèz erfüllt waren, mischten sie sich manchmal ein, und der Überfall wurde zu einem Blutbad. Diesmal gipfelte es darin, dass die schwarzen Knechte und Hausmädchen die Herrin des Hauses mit Peitschen auf die Empore über der Treppe zum Eingangssaal trieben, in den Jefe jetzt auch den Mèz drängte. Er stieß dem Mann den Säbel ins Herz, als die Haussklaven seiner Frau die Kehle durchschnitten und sie johlend die Treppe hinunterstießen. Von den Maroon-Kämpfern war niemand zu sehen. Sie hatten die Weißen den Hausdienern überlassen und waren wohl schon damit beschäftigt, die Wertsachen einzusammeln. Gleich darauf kamen sie mit gefüllten Säcken die Treppe herunter. Die Plünderer brauchten nie lange zu suchen. Das Hauspersonal wusste genau, wo Schmuck und Geld aufbewahrt wurden.
Jefe reinigte seinen Säbel an einem der Teppiche der Delantiers und steckte ihn wieder in die Scheide.
Der eigentliche Anführer des Trupps grinste ihn an. »Gehen wir?«, fragte er. Jefes Fechtkampf mit dem Hausherrn hatte ihn offensichtlich Respekt vor dem großen Schwarzen gelehrt. »Du bist doch hier fertig, oder?« Er warf einen Blick auf den getöteten Delantier.
Jefe nickte. »Hier schon«, meinte er. »Aber ich würde gernnoch einen Abstecher in die Ställe machen. Es geht um … ein Geschenk.«
»Die Pferde holt schon der Trupp von Leutnant Jean«, gab der sichtlich verwunderte Sergeant zurück.
Es wurden stets verschiedene Angriffstrupps eingesetzt, wenn Macandals Männer eine Plantage stürmten. Während einer die Pflanzer ausschaltete und das Haus durchsuchte, ließen die Stallknechte andere in die Ställe, wo sie Pferde und Sattelzeug mitgehen ließen. Alles sollte möglichst gleichzeitig geschehen und die Plünderung zügig vonstatten gehen.
Jefe lächelte dem Mann zu. »Schon richtig. Aber ich … ich brauche ein paar Rinder …«
Es war nicht ganz einfach, auf der Delantier-Plantage Rinder aufzutreiben. Die wenigsten Pflanzer hielten Nutzvieh. Schließlich berichteten die Sklaven aber doch von zwei Ochsengespannen bei der Zuckerrohrpresse. Jefes Vorgesetzter murrte ein wenig, weil es die gesamte Aktion aufhielt, wenn sie die Tiere noch holten. Jefe, Michel und einer der befreiten Sklaven, der mit den Gespannen vertraut war, erboten sich hingegen, den Umweg zu machen und mit den Rindern nachzukommen. Natürlich ein Risiko – aber der Geist war es schließlich selbst eingegangen, als er Simalois Rinder stahl …
Tatsächlich verlief der Raub der Ochsen völlig reibungslos, lediglich die Flucht mit ihnen gestaltete sich zur Geduldsprobe – die Tiere waren stur und langsam. In der Morgendämmerung stand Jefe dann jedoch stolz vor der Hütte von Simaloi.
Die junge Frau wischte sich ungläubig den Schlaf aus den Augen. »Du … Rinder?«
Jefe lächelte ihr triumphierend zu. »Nein, ich habe keine Rinder«, sagte er dann ernst. »Du weißt doch, ich bin Ashanti. Die Rinder gehören den Massai, ich habe sie dir nur zurückgebracht.«
Über Simalois Gesicht ging ein Leuchten. »Du große Krieger!«, erklärte sie, bevor sie die vier Ochsen ihrer Rinderherde zugesellte.
Macandal musste von der Sache mit den Ochsen erfahren haben, erwähnte sie aber mit keinem Wort, als er Jefe später zu sich befahl und in den Rang eines Leutnants beförderte. Er übersprang damit einige Dienstgrade der Armee, doch das kümmerte niemanden. Jefe sollte die Ausbildung der Männer im Fechten übernehmen und in Zukunft selbst Überfälle leiten.
»Werden wir denn noch viele machen?«, fragte er. »Setzen die Pflanzer nicht irgendwann Militär ein?«
Macandal lachte. »Das haben sie längst. Glaub mir, Caesar, wir haben unsere Schlachten schon geschlagen. Da unten …«, er wies auf die Wälder unterhalb seines Hügels, »verrotten Hunderte von blau-roten Röcken – und ihre Träger!«
»Aber wenn wir jetzt vermehrt Plantagen angreifen … Versteh mich nicht falsch, ich will mich nicht drücken, ich nehm’s gern mit der ganzen Armee
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