Die Insel der roten Mangroven
Hand, um die jungen Mädchen mit einer Art Segen zu verabschieden.
»Und … und was mit Sieg?«, fragte eines von ihnen schüchtern. »Was mit Sieg, wenn nicht Vereinigung mit Göttin? Dann nicht Sieg?«
Mireille seufzte, aber Macandal hatte seine Fassung wiedergefunden. »Sorge dich nicht, Tochter!«, sagte er fest. »Die Vereinigung wird stattfinden. Simaloi!«
Die junge Frau fuhr zusammen, als sein Ruf sie traf. Sie hatte sich erleichtert gezeigt, als Macandal seine Wahl an diesem Tag unter den Sklavinnen getroffen hatte, und bereitete sich schon auf den Aufbruch vor. Wahrscheinlich hatte sie die ganze Zeit ähnliche Sorgen gehegt wie Jefe und Mireille. Und nun …
»Komm, Simaloi!« Macandal streckte die Hand aus.
Jefes Herz blieb beinahe stehen, als Simaloi den Kopf schüttelte. »Nein!«, sagte sie. »Ich jetzt nicht … Vereinigung. Ich nicht Göttin – und mich nicht rufen die Geister. Immer nur du mich rufen. Du groß Messias, großer Krieger. Aber ich … ich selbst gefragt Götter. Und Götter mir gesagt: Du gebracht vier Rinder, Ashanti gebracht acht!« Sie wies auf Jefe. »Und nicht wollen töten Rinder, essen saroi mit mir. Du immer Fleisch.«
Macandal war kein Kostverächter. Simaloi hatte häufig Rindfleisch über den Feuern gesehen, an denen Mireille für ihn kochte.
Macandal blitzte die junge Frau an. »Du willst nicht? Du willst … Caesar?« Er wirkte eher verblüfft als beleidigt.
Simaloi nickte zögerlich. Dann wagte sie aufzublicken und schaute direkt in Jefes ungläubiges, aber schon aufstrahlendes Gesicht. »Ja. Er mich gefragt, ob heiraten. Ob lieben. Und glaub ich, dass lieben Caesar …«
Jefe kämpfte mit dem Drang, zu ihr zu laufen und sie in dieArme zu schließen. Sie hatte also doch darüber nachgedacht. Und sie zog ihn dem ›Schwarzen Messias‹ vor. Er wollte sie küssen, sie von hier wegbringen … Macandal war jedoch noch nicht mit ihr fertig.
»Und mich?«, donnerte er. »Du wagst es zu sagen, dass du mich nicht liebst? Mich, deinen Gott? Den, dem du gehörst?«
Jefe hörte, dass auch die anderen Hauptleute hinter ihm scharf einatmeten, und über die Gesichter der Sklavinnen, die den Schuppen noch nicht verlassen hatten, zog ein Ausdruck von Unglauben und Abscheu. Bislang hatte niemand protestiert, wenn Macandal sich als Messias bezeichnet hatte oder als Verkörperung heidnischer Kriegsgötter. Was er Simaloi allerdings entgegenschleuderte …
Ich bin der Herr, dein Gott – das Bibelzitat. Selbst auf den nicht katholisch erzogenen Jefe wirkte es aus Macandals Mund blasphemisch – die getauften und ihr Leben lang wöchentlich in den Gottesdienst gezwungenen Sklavinnen schienen zu erwarten, dass gleich ein Blitz vom Himmel fuhr, um ihn zu strafen.
Simaloi dagegen verblüffte alle. Sie fiel vor Macandal auf die Knie nieder und küsste den Saum seines Gewandes. »Gott ich bete an«, befand sie dann mit ihrer betörend dunklen Stimme. »Rinder mich gehören. Aber Caesar … ich lieben. Ist Unterschied zwischen Gott, Besitz und Mann.«
Dabei stand sie auf, schenkte Macandal noch ein kleines, um Verzeihung heischendes Lächeln und ging dann zu Jefe, um ihm die Hand zu reichen.
Macandal schluckte. »Mireille«, murmelte er.
Mireille ging zu ihm und wandte sich dann von seiner Seite aus an die letzten Anwesenden. »Wenn er der Gott ist, dann bin ich die Göttin«, sagte sie ruhig. »Denn ich bin seine Frau, ihm angetraut im Namen des Gottes, der ihn geschickt hat. Also geht jetzt, die Vereinigung wird vollzogen werden, wie sie schon oft vollzogen worden ist. Der Sieg wird uns gehören, da gibt eskeinen Zweifel! Tod den Pflanzern! Feuer und Gift und Verderben über ihre Häuser! Ihr seid heute Nacht die Hände des Geistes von Hispaniola, seine Schwerter, seine Fackeln! Macht es gut, geht mit den Geistern!«
Die anderen Hauptleute verstanden den Wink. Sie öffneten die Türen für die letzten Zuhörer.
»Komm jetzt!«, sagte Mireille knapp zu ihrem Gatten, als alle gegangen waren. »Wir sollten uns reinigen. Wir stinken alle nach Blut und Schnaps. Es würde auffallen, wenn wir so unter Menschen gingen.«
»Wir gehen zu der Weihnachtsfeier auf diese Plantage!«, beharrte Macandal.
Er wirkte geschlagen, aber er straffte sich schon wieder und kämpfte um die Wiederherstellung seiner Würde. Wenn in dieser Nacht alles gut ging, würde der Nachmittag vergessen sein.
Mireille und die Hauptleute reinigten den Schuppen und holten saubere Kleidung aus ihren
Weitere Kostenlose Bücher