Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
Anhängerinnen, indem er sie auf sein Lager zog, manchmal auch mehrere Frauen. Natürlich zwang er sie nicht dazu, aber die von den anderen Männern ständig wiederholte Ausrede, sie machten das freiwillig, traf zumindest auf Simaloi nicht zu.
    Jefe war der jungen Massai in den letzten Wochen weiter nähergekommen. Sie öffnete sich ihm zusehends, und er erfuhr immer mehr über das Leben der Frauen aus ihrem Stamm. Was er hörte, erfüllte ihn oft kaum weniger mit Abscheu als das Wissen über ihren Missbrauch nach der Versklavung. Eine Massai musste damit rechnen, ohne die eigene Zustimmung verheiratet zu werden, eine Ehefrau teilte ihren Mann fast immer mit mehreren anderen Frauen. Wenn ihr Gatte Besuch empfing, konnte es ihr passieren, mit diesem wildfremden Mann als Gastgeschenk das Lager teilen zu müssen. Nein zu einem Mann zu sagen war für Simaloi undenkbar, erst recht nicht zu einem so großen, wichtigen Mann wie Macandal.
    Jefe sah dennoch, wie sie sich duckte, wenn der Geist nachden Zeremonien die Reihe seiner Frauen abschritt, wie zögerlich sie ihm die Hand reichte und wie verschämt und unglücklich sie die Augen senkte, wenn sie ihm folgte. Von Freiwilligkeit konnte da nicht die Rede sein. Auch jetzt, da sie zu Macandals Begrüßung im Schuppen tanzte und sang, sich vor ihm zu Boden warf und seine Füße küsste, sah die junge Massai nicht sehr glücklich aus. Bei Mireille wirkte dieses Gehabe ebenfalls mehr routiniert als begeistert, allerdings schmiegten sich viele der anwesenden Sklavinnen schamlos an Macandal und buhlten ganz offensichtlich um seine Gunst. Die Stimmung im Schuppen war aufgeheizt, noch bevor die Kalebassen mit Zuckerrohrschnaps kreisten, um die Geister willkommen zu heißen. Die Sklaven waren aufgeregt und fühlten sich geehrt, dieser letzten Zusammenkunft vor dem großen Schlag gegen ihre Unterdrücker beiwohnen zu dürfen. Sie feierten Macandal überschwänglich, sangen inbrünstig die Anrufungen der Götter mit und jubelten zu den Ausführungen des Geistes.
    »Ich bin das Schwert Gottes! Ich bin unsterblich, und ich mache euch unsterblich! Ich sehe Feuer und Tod! Ich sehe Angst und Flucht! Helft mir, die Weißen hinwegzufegen! Habt keine Skrupel! Jedes Kind, das ihr tötet, steht euch morgen nicht als Feind gegenüber! Jede Frau, die ihr tötet, kann keine neuen Unterdrücker gebären! Indem wir ihre Kinder vergiften, nähren wir die unseren! Diese Insel wird uns gehören! Glaubt ihr mir? Seht ihr es auch?«
    Die Männer und Frauen brüllten ihre Zustimmung heraus, und Jefe sah besorgt in Richtung der Türen. Wenn jetzt irgendjemand von Nouveau Brissac nach Roche aux Brumes ritt, waren sie verloren. Macandal sah jedoch keine Notwendigkeit, sich kurzzufassen. Er entzündete in aller Ruhe sein Feuer und opferte unzählige Hühner, um das Gelingen seiner Pläne zu unterstützen. Wer auch immer von den Plantagensklaven es geschafft hatte, einen Hahn oder eine Henne an sich zu bringen,ließ sich stolz mit dem Blut des Tieres besprengen. Alle strotzten vor Mut und Zuversicht, als Macandal schließlich von einem zum anderen tanzte und ihnen die Giftpakete überreichte. Manche nahmen sie nur für die eigene Plantage entgegen, andere gleich für einen ganzen Distrikt. Die Weihnachtsfeierlichkeiten machten es möglich, das Gift innerhalb zweier Tage fast flächendeckend in der Kolonie zu verteilen. Die Zofen, Leibdiener und Kutscher brachten die Pakete von einer Plantage zur anderen, sogar die Vorkoster – in dem Wissen, dass sie vielleicht selbst mit in den Tod genommen wurden. Nicht immer gelang es ihnen, den Genuss der vergifteten Speisen nur vorzutäuschen oder sie wieder von sich zu geben, bevor das Gift wirkte.
    Schließlich ging die Veranstaltung ihrem Ende entgegen, und Jefe atmete auf. Wahrscheinlich machte er sich ganz unnötig Sorgen und es ging doch noch alles gut. Jetzt und später … Er hoffte, dass es wirklich nicht auffiel, wenn sie sich am Abend, wie von Macandal geplant, unter die feiernden Sklaven auf Nouveau Brissac mischten. Wieder eine seiner Ideen, die Jefe für leichtsinnig hielt. Aber Macandal wollte da sein, wenn die Festgäste starben. Er wollte das Massaker miterleben, das Chaos, das ausbrechen würde, wenn der Ball zu einem Totentanz wurde. Jefe wusste, dass er die Wirkungszeit des Giftes genau berechnet hatte. Zwei oder drei Stunden nach dem Bankett, das den Ball einleitete, würden sich die Pflanzer in Krämpfen winden. Und zwei- bis dreihundert sterbende

Weitere Kostenlose Bücher