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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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sie fühlte sich in diesem Dorf an die Atmosphäre auf der Mermaid erinnert. Die angespannte Stimmung vor einem Angriff.

KAPITEL 5
    D ie Anweisung Jacques Dufresnes, keine fremden Sklaven ins Haus zu lassen und das Versammlungsverbot von Sklaven verschiedener Plantagen auch so weit wie möglich durchzusetzen, erwies sich schnell als undurchführbar. Schon am Vorweihnachtstag trafen die ersten Hausgäste ein und brachten selbstverständlich ihre Zofen, Leibdiener und Kutscher mit – einige Übervorsichtige sogar ihre Köche, die das Küchenpersonal der Dufresnes überwachen und Giftmörder enttarnen sollten. Schwarze Vorkoster beschäftigten inzwischen fast alle.
    Natürlich konnte man all diesem Personal nicht das Haus verbieten, und auch was die Vermischung der Gruppen anging – die Sklaven der Gäste schliefen zwar nicht im Sklavenquartier der Dufresnes, sondern in den Ställen, aber die Mahlzeiten mussten sie mit den Leuten der Plantage gemeinsam einnehmen. Es wurde auch kein gesondertes Fest für sie ausgerichtet oder gar ein zweiter Gottesdienst organisiert. Spätestens am Nachmittag des Heiligen Abends vermischten sich folglich alle, worauf Macandal und seine Helfer natürlich spekulierten. Weder fiel es auf, dass sich der Rebellenführer und seine Leute dem Schuppen zwischen Nouveau Brissac und Roche aux Brumes näherten, noch dass sich auf allen umliegenden Plantagen Männer und Frauen davonschlichen, um anstelle der Christmesse den Schwarzen Messias reden zu hören.
    Jefe machte die Versammlung im Schuppen trotzdem nervös.Gemeinsam mit den anderen Hauptleuten Macandals nahm er die Sklaven in Empfang und erfragte die Losung, bemüht, die Leute so schnell wie möglich fern von den Straßen und Wegen zwischen den Plantagen zu haben. Es sollten sich jetzt zwar alle Herren und Sklaven im Gottesdienst befinden, doch die Praxis sah anders aus, wie Jefe schon vermutet hatte, und wie ihm die eintreffenden Sklaven bestätigten. So mancher von ihnen hatte sich blitzschnell in eine Pflanzung schlagen oder in einen Straßengraben werfen müssen, um von den Insassen vorbeifahrender Kutschen nicht gesehen zu werden. Viele Besucher des Weihnachtsballs auf Nouveau Brissac hatten einen weiten Anfahrtsweg, und die Messe war ihnen offensichtlich nicht so wichtig. Auch Reiter waren unterwegs – meist Aufseher, die zu Weihnachten Bekannte auf anderen Plantagen oder eine Geliebte in Cap-Français besuchten.
    »Ich hoffe, Macandal hält sich jetzt wenigstens mit der Lautstärke zurück«, seufzte Jefe, als die Männer endlich den Schuppen hinter den letzten Nachzüglern schlossen. »Auf die Singerei sollten wir auf jeden Fall verzichten, das trägt doch weit. Und wenn einer auf der Straße hört, dass hier am Weihnachtsabend Geister beschworen werden …«
    Einer der Hauptleute nickte, die anderen schauten Jefe jedoch strafend an. Aus seinen Worten sprach schließlich eine gewisse Respektlosigkeit. Jefe wusste, dass er damit das Risiko einging, die Gunst des Geistes zu verlieren. Andererseits fiel es ihm im Laufe der Aktion immer schwerer, sich zu beherrschen. Denn sosehr er von Macandals Zielen und seiner Strategie überzeugt war, so empfand er das persönliche Auftreten des Rebellenführers doch als zunehmend enervierend. Jefe war gern bereit, Macandal als militärischem Führer Respekt entgegenzubringen, er glaubte jedoch nicht an Götter und Geister, Unsterblichkeit und Auserwählung. Er hielt Macandal für intelligent und imponierend, aber nicht für gottgesandt, und er empfand es alspeinlich, wenn die Leute vor ihm niederknieten und um seinen Segen flehten. Macandals pompöses Auftreten als Zweiter Messias war aufgesetzt und lächerlich – und zum Teufel, ihm standen ebenso wenig alle Frauen dieser Welt zu, wie den Massai alle Rinder gehörten!
    Jefe rieb sich die Stirn, als seine Gedanken erneut dahingehend entgleisten. Er war sich durchaus darüber bewusst, dass seine Probleme mit Macandals religiöser Führerschaft ihre Wurzeln in dessen Umgang mit den Frauen allgemein und Simaloi im Speziellen hatten. Eine Voodoo-Zeremonie hatte sinnliche und gelegentlich auch sexuelle Elemente, aber an sich gehörte es nicht zwingend zum Kult, dass sich ihr Leiter von Frauen und Mädchen berühren oder gar anbeten ließ. Macandal forderte das jedoch, und er machte nicht den geringsten Hehl daraus, dass ihn diese Anbetung erregte. Nach jeder seiner Reden und Zeremonien, denen Jefe beigewohnt hatte, »erhörte« er eine seiner

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