Die Insel der roten Mangroven
Bündeln – am Abend würden die Rebellen natürlich keine farbenfrohen Kaftane tragen, sondern die Baumwollkleidung der Sklaven. Um Waschwasser brauchten sie sich nicht zu kümmern. Der für den frühen Abend typische tropische Platzregen ging gerade nieder und spülte alle Spuren der Voodoo-Zeremonie von ihren Körpern, als erst Mireille und Macandal und anschließend seine Hauptleute nackt ins Freie hinter den Schuppen traten.
Das Paar vor dem Schuppen bemerkte nichts von der Nässe. Im strömenden Regen umarmten sich Jefe und Simaloi.
KAPITEL 6
B onnie fühlte sich ein bisschen schuldig, weil sie nichts zu tun hatte, während Amali fast rund um die Uhr damit beschäftigt war, sich um Deirdres Kleidung und ihre Frisuren zu bemühen. Schon die Abendrobe zu plätten und sämtliche Schleifchen und Rüschen richtig zur Geltung zu bringen dauerte Stunden, auch die festlichen Nachmittagskleider waren aufwendig, bestanden sie doch aus diversen Reifröcken und Unterröcken, Spitzeneinsätzen und Mantillen. Bonnie hatte sich natürlich gleich angeboten, Amali zu helfen, aber sie zeigte nach wie vor kein großes Geschick für die Arbeit einer Zofe.
»Kümmere dich lieber um die Kinder!« Amali lachte, als Bonnie schon das erste Spitzenleibchen verkehrt herum in den Schrank hängte. »Oder amüsier dich mit Leon!«
Leon war schon den ganzen Tag mit den Leuten seiner Musikgruppe zusammen und probte für den Abend, wenn sie im Sklavenquartier zum Tanz aufspielen würden. Das Treffen mit den Musikern hatte ihm über die seltsam angespannte Stimmung im Dorf der Schwarzen hinweggeholfen. Er meinte inzwischen, sich das am Vortag nur eingebildet zu haben. Inzwischen spürte nur noch Bonnie die Anspannung, die sich obendrein zum Nachmittag hin zu steigern schien. Überall in Haus und Garten herrschte hektische Aktivität – viel zu viel für einen Haushalt, der an Gäste und große Festivitäten gewöhnt war.
Selbst Nafia fiel das auf. Die Kleine war am Morgen ins Haus gegangen, um dort eine Beschäftigung zu finden. Sie wärezu gern bei dem Ball zugegen gewesen, um die Roben und aufwendigen Hochfrisuren der Gäste zu bewundern, die Musik spielen zu hören und die Tänze zu sehen. Amali hatte ihr versprochen, bei den Hausdienern ein gutes Wort für sie einzulegen, und zuerst fanden sich auch kleine Hilfsdienste für das Mädchen. Aber die Hausmädchen und Diener waren konfus, gaben widersprüchliche Anweisungen und zeigten sich so ungeduldig mit dem Kind, dass Nafia schon gegen Mittag entmutigt wieder zu Bonnie gekommen war. Sie wollte nun doch lieber die Kinder hüten, als sich dem Durcheinander im Haus weiter auszusetzen.
Damit nahm sie Bonnie die letzte sinnvolle Betätigung ab, und die junge Frau verschlug es schließlich in die Küche. Hier hatte sich auch Sabina inzwischen eingefunden – und prompt die wichtigsten Aufgaben übernommen, weil die Köchinnen und Köche der Dufresnes an diesem Tag offensichtlich nichts zustande brachten.
»Nadine immer gut mit Torten«, wunderte sie sich und zeigte auf eine junge Frau, die sich hilflos um einen gänzlich eingefallenen, kläglichen Biskuitboden bemühte. »Und nun sie macht das. Und Pierre hat versalzen Suppe – möchte man meinen, dass ist verliebt, aber guckt wie drei Tage Regen … Weiß nicht, was hier los. Du mir helfen, Bonnie, dann wir schaffen das …«
Fast dreihundert Gäste sattzubekommen verlangte natürlich nicht nur eine Hilfskraft mehr, sondern gut geplantes Vorgehen – nur, dass in der Küche niemand dazu in der Lage schien. Bonnie nahm gleich ein Schälmesser und machte sich über einen Berg Gemüse her. Fasziniert sah sie zu, wie Sabina das Heft in die Hand nahm und jeden Augenblick dieses Weihnachtsabends genoss. Sie musste sich in Victors Stadthaus, in dem allenfalls kleine Abendgesellschaften gegeben wurden, völlig unterfordert fühlen.
Inzwischen brach draußen die Dämmerung herein, und zum Glück regnete es nicht mehr, als das Küchenpersonal desSklavenquartiers draußen große Feuer entzündete, an denen die Leckereien für die Schwarzen zubereitet wurden. Es gab marinierte Schweineschulter mit Zwiebel-Chili-Sauce und Reis mit Bohnen. Man briet Gemüsebananen und Ziegenfleisch, in großen Töpfen köchelte Hähnchen in scharfer Sauce – rustikaler als die Leckereien, die Sabina und die anderen Köche für die Weißen zubereiteten, aber Bonnie lief trotzdem bereits das Wasser im Munde zusammen. Wenn das Bankett vorbei war, würden
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