Die Insel der roten Mangroven
wäre nur mithilfe der Sklaven möglich gewesen. Und mit denen war nichts mehr anzufangen. Wahrscheinlich hätte uns sogar noch jemand verraten, wenn wir es versucht hätten.«
»Vorher waren sie doch alle Feuer und Flamme für den Plan!«, wunderte sich Mayombe, ein großer, magerer Mann mit schlaffen Gesichtszügen, aber scharfen Augen. »Wir hatten sie alle auf unserer Seite, sie wollten Blut sehen.«
»Solange sie davon überzeugt waren, dass Macandal selbst keins vergießen kann«, sagte Mireille. Macandals Ehefrau bestand darauf, den Beratungen zum weiteren Vorgehen der Maroons beizuwohnen, und dachte gar nicht daran, das schweigend zu tun. »Sie haben ihn für unverwundbar gehalten und für unbesiegbar. Jetzt zweifeln sie. Und es liegt an uns, sie wieder zu überzeugen. Wenn wir ihn nicht befreien, ist alles verloren.«
Mayombe und Teysselo sahen einander grimmig an. Jefe hegte den leisen Verdacht, dass die beiden schon über Macandals Nachfolge grübelten – und sich darüber keineswegs einig waren. Wahrscheinlich hätte jeder von ihnen gern die Führung der Rebellen übernommen. Jefe dagegen neigte nach den Erfahrungen der letzten Tage zu Mireilles Ansicht. Egal, ob es ebenso gute oder bessere Führer für diese Revolution gab als den Messias – auch er selbst hätte sich zugetraut, die Aufständischen zu führen –, die Sklaven brauchten jedoch die Legende Macandal. Sie wollten an seine Gottgesandtheit glauben, nur das machte ihnen Mut, sich aufzulehnen. Seit der Geist im Gefängnis saß, hatten sich viele Verschwörer zurückgezogen, die Haussklaven der Pflanzer zeigten sich serviler und loyaler denn je, die Feldsklaven kuschten unter der Peitsche ihrer Aufseher.
Jefe seufzte. »Also schön. Das Gefängnis der Gendarmerie … Wie kommen wir da rein? Lassen sie Besucher zu?«
Der Informant, ein rundlicher, harmlos wirkender Mulatte,schüttelte den Kopf. »Niemanden. Nur einen Priester. Und das Ganze ist bewacht wie eine Festung.«
»Sie würden mich hineinlassen«, überlegte Mireille. »Sie müssen, ich bin seine Frau!«
Die Männer lachten. »Sie würden dich gleich dazusperren«, beschied sie Teysselo. »Es ist doch bekannt, dass du mit ihm gelebt hast. Sie geben dir mit Sicherheit eine Mitschuld.«
»Aber ich …« Mireille wollte etwas einwenden, Jefe gebot ihr allerdings mit einer Handbewegung Schweigen.
»Selbst wenn sie dich hineinließen, Mireille, du könntest ihn nicht in deiner Rocktasche herausschmuggeln. Und wenn wir die Gendarmerie stürmen würden … sie liegt mitten in der Stadt. Noch während der Kämpfe bekämen die Gendarmen Verstärkung. Wie sollten wir dann da rauskommen?«
»Er liegt in Ketten«, bemerkte der pacotilleur .
Jefe seufzte. »Das auch noch. Wir müssten also mit einem Schmied anrücken. Oder einen der Wächter foltern, damit er die Schlüssel herausrückt. Und das alles mitten in Cap-Français!«
»Nein!« Mireilles Gesicht spiegelte pure Verzweiflung wider. Ihr Mann mochte sie oft zum Wahnsinn getrieben haben, doch sie liebte ihn zweifellos, vielleicht mehr als ihr Leben. »Wir können ihn nicht seinem Schicksal überlassen!« Mireille sah flehend von einem zum anderen.
Jefe rieb sich die Stirn. »Habe ich gesagt, dass wir aufgeben?«, fragte er ungeduldig. »Nein. Wir versuchen auf jeden Fall, ihn zu befreien. Aber es geht nur, wenn sie ihn rausholen. Es geht nur bei der Hinrichtung …«
»Ich verlasse euch gar nicht gern«, seufzte Nora.
Sie umarmte ihre Tochter, ihren Schwiegersohn und sämtliche Schwarze aus dem Haushalt Dufresne – zum Abschied hatten sie alle die Fortnams zum Schiff begleitet. Sogar Namelok war dabei, und Libby machte sich schon bereit, dem Schiffmit einem von Deirdres seidenen Tüchern nachzuwinken. Die Queen of the Waves , ein schmuckes, nicht allzu großes Segelschiff, lag im Naturhafen von Cap-Français bereit, um die Passagiere an Bord zu nehmen, aber Nora konnte sich nicht trennen.
»Du gehst sehr gern!«, behauptete stattdessen Doug und schob sie entschlossen in Richtung Gangway. »Und das nächste Mal besucht ihr uns auf Cascarilla Gardens. Von mir aus mit der ganzen Bagage!« Er kniff Namelok, die von Leons Arm aus interessiert auf das Treiben im Hafen blickte, lächelnd in die Wange. »Da geht es entspannter zu als hier – ich werde aufatmen, wenn ich wieder Mama Adwes gutes Essen genießen darf – und ganz sicher sein kann, dass keiner Gift hineingemischt hat.«
»Ich nie mische Gift in Essen von
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