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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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verlassen, nachdem wie durch ein Wunder niemand durch den Kanonenschuss und den Steinschlag schwerer verletzt worden war. Unter dem Schutz des Militärs waren sie in den Gouverneurspalast geleitet worden, auf dem Platz davor war es zurzeit nicht sicher genug für die Vertreter der Kolonialmacht. Bei einigen der zur Teilnahme an der Hinrichtung gezwungenen Sklaven hatten sich Spannung, Angst und Wut in einem regelrechten Amoklauf entladen. Victor hatte die Gelegenheit genutzt, sich von der aufgeregten Gesellschaft der Pflanzer zurückzuziehen. Auf dem Hinrichtungsplatz wurde ein Arzt gebraucht, und Antoine Montand schloss sich an, um dem Mediziner zur Hand zu gehen. Die beiden leisteten den verletzten Vertretern der Ordnungsmacht ebenso Erste Hilfe wie den verwundeten Schwarzen – aber bei fünf Soldaten und dreizehn Sklaven konnte Victor nur noch den Tod feststellen. Es war allerdings niemand direkt durch die Hand der Verschwörer umgekommen.
    »Die Maroons haben das ganz geschickt gelöst«, bemerkte Antoine Montand bewundernd, als die Männer endlich in der Schenke vor ihrem Rumpunsch saßen. »Ein Schuss aus einerKanone oder was das war, um Verwirrung zu stiften, ihren Messias packen und verschwinden. Das war gut geplant!«
    Victor nickte und nahm einen großen Schluck aus seinem Glas. Der Punsch war stark, der Mann am Ausschank hatte es gut gemeint. Aber an diesem Tag brauchten wirklich alle Zeugen der missglückten Hinrichtung einen guten Schluck. Den ersten gegen den Schock – und dann, je nach Hautfarbe und Gesinnung, um Wut und Ärger hinunterzuspülen oder um den gelungenen Schlag der Rebellen zu feiern. In dieser Hafenspelunke überwog Letzteres. Die freien Schwarzen und Mulatten, die hier verkehrten, ließen den Geist ganz offen hochleben.
    »Ob der Mann das allerdings überleben kann …«, sinnierte der Arzt, als er sein Glas wieder absetzte. »Er stand doch lichterloh in Flammen, zumindest sah es so aus.«
    Montand zuckte die Schultern. »Aus dem Volk wird es jedenfalls keiner bezweifeln«, meinte er. »Vielleicht haben die Kerle den Mann nicht gerettet, die Legende dagegen ganz sicher.« Er hob sein Glas. »Also trinken wir auf den Zweiten Messias. Vielleicht ist er ja doch unsterblich.«
    Victor trank schweigend. Er dachte weniger an einen Gott oder an einen Geist, sondern an einen Mann, der sich, sofern er noch lebte, in irgendeinem Versteck vor Schmerzen wand.
    In das Stadthaus der Dufresnes drang die Nachricht von Macandals Flucht durch Amalis Freund, den kreolischen Milchmann. Er war gleich zu ihr geeilt, als er davon gehört hatte, und verhinderte mit seiner Neuigkeit Bonnies peinliches Verhör. Leon, Sabina und Amali hatten es befremdlich gefunden, dass sie Namelok ohne ersichtlichen Grund alleingelassen hatte. Und als sie nun mit nassem Haar, erschöpft, aber auch aufgekratzt aus der Bucht der roten Mangroven kam und behauptete, sie habe nur ein bisschen schwimmen wollen, prasselte natürlich ein Regen von Fragen auf sie nieder.
    Bonnie war jedoch gleich vergessen, als die Begeisterung nur so aus Jolie hervorsprudelte.
    »Er ist frei! Macandal ist frei! Gott ihn hat entrückt, wie wirkliche Messias! Erst er geredet, ganz laut, ganz frei … und dann er steigt von Scheiterhaufen wie leuchtende Engel!«
    »Warte mal!« Amali war zwar ebenso fasziniert wie die anderen Schwarzen, unterbrach ihren Freund aber trotzdem nach den ersten Worten. »Wir gehen zur Missis. Das muss sie auch wissen!« Entschlossen zog sie mit Jolie und der gesamten Dienerschaft in das Wohnzimmer, in dem Deirdre mit ihren Freundinnen saß. »Das musst du hören, Deirdre!«, sprudelte Amali auf Englisch heraus und schob ihren Freund vor die Damen. »Die haben … die haben Macandal tatsächlich befreit!«
    Jolie war nicht schüchtern. In der Folge lieferte er seinem schwarzen und weißen Publikum einen farbigen Bericht über die Vorgänge auf dem Platz vor dem Gouverneurspalast.
    »Hat gegeben Donner und Blitz! Ist eingeschlagen in Palast von Regierung. Beinahe hat erschlagen Gouverneur!«
    »Ein Blitz?«, fragte Deirdre verwundert. Rund um ihr Haus hatte es nicht gewittert.
    »Mehr … mehr Kugel von Kanone. Hat schon gegeben Helfer, glaub ich. Nicht nur Gott und Engel von Himmel«, schränkte Jolie schließlich seine fromme Schilderung ein.
    Deirdre nickte und sah Amali an. Die Jamaikanerinnen glaubten nicht so bereitwillig an Wunder wie die katholischen Schwarzen aus Saint-Domingue, die sich pausenlos bekreuzigten

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