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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Maultiere durch die engen Straßen der Stadt lenkte. Rücksichtslos trieb er die Tiere durch die Menge. Die Flüchtenden, die bereits Seitenstraßen erreicht hatten, sprangen entsetzt zur Seite. Bonnie hoffte nur, dass sie niemanden umbrachten. Aber dann hatten sie die belebten Straßen und die Soldaten weit hinter sich gelassen. Bonnie fürchtete, dass ihnen Reiter folgen würden, die wenigen Berittenen auf dem Platz waren jedoch zur Genüge damit beschäftigt, dort Ordnung zu schaffen. Es war sicher zu Prügeleien gekommen, die Worte des Geistes hatten so manchen Sklaven dazu gebracht, sich zu wehren.
    »Lass mich hier raus!«, forderte Bonnie, als der Wagen durch eine Straße, ganz nah dem Haus der Dufresnes, rumpelte.
    Jefe hatte die Geschwindigkeit etwas zurückgenommen. Ein Pritschenwagen, der im Galopp durch die Vorortstraßen raste, wäre aufgefallen.
    »So wie du bist?«, fragte Jefe spöttisch. »Willst du deinem Doktor als Bobbie in die Arme laufen?«
    Bonnie schaute an sich hinunter. Sicher, daran hatte sie nicht gedacht. Ihre Männerkleidung war nass vom Regen und schmutzig vom aufspritzenden Schlamm bei der halsbrecherischen Flucht. Außerdem stank sie nach Schießpulver.
    »Wenn du willst, setze ich dich im Wald hinter dem Strand ab«, schlug Jefe vor.
    Bonnie nickte. Dort hatte sie auch ihre Frauenkleider versteckt. Kurz darauf verhielt Jefe die Maultiere nahe der Bucht der roten Mangroven.
    Bonnie kletterte mit noch zitternden Knien vom Wagen.»Ich hoffe, er schafft es«, murmelte sie, als Jefe sich ebenfalls hinabgleiten ließ und ihre Arme umfasste.
    »Er hat es schon geschafft!«, sagte Jefe. Er sah ihr in die Augen und schien kurz davor, sie an sich zu ziehen. »Du hast es geschafft. Bonnie, das werden wir dir nie vergessen! Aber du … willst du nicht doch mit uns kommen? Wir holen dieses Kind …«
    Bonnie überlegte, ob das, was sie in seinen Augen sah, nur Stolz auf sie war oder auch etwas wie Liebe. Hatte sie doch eine Chance gegen Frauen wie Deirdre und Simaloi, wenn sie sich nur nützlich machte? Wenn sie sich immer dann, wenn er es verlangte, in Bobbie verwandelte?
    Aber dann schüttelte sie entschlossen den Kopf. Sicher empfand Jefe etwas für sie. Es war nur keine Liebe, eher … Nun, vielleicht Respekt, in gewisser Weise sogar Bewunderung. Aber Bonnie würde sie sich immer verdienen müssen. Und auf keinen Fall schloss die Zuneigung Namelok mit ein. Dieses Kind  … Leon hatte die Kleine wunderschön genannt. Als Bonnie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er sie in den Armen gehalten und gefüttert. Er sang für sie, er war bereit, sie zu verteidigen … Als Macandal gefangen worden war, hatte Leon sich vor Bonnie und die Kinder gestellt – Jefe und Simaloi hatten nur sich selbst in Sicherheit gebracht.
    Ganz plötzlich empfand Bonnie bei dem Gedanken an den riesigen Leon mit der winzigen Namelok in den Armen ein Gefühl von Liebe, Zärtlichkeit und Vertrauen. Ein Gefühl, das sie vorher nie jemand anderem als Jefe hatte entgegenbringen können.
    Bonnie sah zu Jefe auf. Er lächelte einladend. Doch Bonnie konnte ihn sich nicht mit einem Kind in den Armen vorstellen. Zu Jefe gehörten die Machete, der Degen, das Falkonett.
    »Nein, Jefe«, sagte sie noch einmal. »Ich bleibe hier. Und das Kind bleibt auch hier. Ich will in Frieden leben, Jefe. Wenn ichdir, wenn ich euch und unserem Volk und Macandal je etwas schuldete, dann habe ich es heute abgeleistet. Du hast deinen Messias, Jefe. Lass mir meine Freiheit.«
    Sie sah sich nicht noch einmal um, als sie jetzt aus dem Wald hinaus zum Strand lief, ihre Männerkleidung abwarf und sich in die Wellen stürzte. Das warme Wasser des Meeres wusch alles von ihr ab, den Gestank nach Schießpulver und den beißenden Geruch des Scheiterhaufens, den Angstschweiß – und auch all ihre Schuld. Bonnie ließ die Geister ihrer Vergangenheit hinter sich. Die toten Seeleute, die Männer der Mermaid  – und den Mann, den sie in ihren Träumen niemals Caesar genannt hatte. Sie tauchte unter, kraulte mit kräftigen Bewegungen weit hinaus in die Bucht und ließ sich dann von den Wellen zurücktragen.
    Skip Daytons verängstigte kleine Sklavin hatte längst schwimmen gelernt.

KAPITEL 10
    V ictor Dufresne und Antoine Montand beendeten diesen Nachmittag tatsächlich in einer Hafenschenke – wenn auch längst nicht so deprimiert, wie sie vorher angenommen hatten.
    Der Gouverneur und die anderen Weißen hatten die Tribüne natürlich sofort

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