Die Insel der roten Mangroven
Auf Quentins Versuche, sie zu unterhalten, reagierte sie allenfalls einsilbig, mitunter gar nicht, und der junge Mann wirkte schon bald entsprechend verärgert. Immerhin verhielt sich Victor untadelig. Er bemühte sich erkennbar, Deirdres Blicke nicht allzu feurig zu erwidern, sondern konzentrierte sich auf die Konversation mit Nora. Ihr Gespräch wurde auch schnell anregend, Nora unterhielt sich bei diesem Essen weitaus besser als auf anderen Festen mit ihren Nachbarn.
Schließlich fand das Bankett sein Ende, die Gäste schlenderten in den Ballsaal hinüber, und Victor wandte sich mit höflichem Lächeln an Nora.
»Möchten Sie tanzen, Mrs. Fortnam? Oder …«
Er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, Nora bemerkte jedoch seinen verstohlenen Blick auf Deirdre, er ließ Quentin kaum einen Moment aus den Augen. Er stand eben auf, wohl um sie in den pompösen Tanzsaal zu führen, der an die Salons der Keensleys anschloss.
Nora fächelte sich Luft zu. Die Prunkräume der Keensleys waren für das Wetter auf Jamaika nicht gemacht – es war jetzt schon stickig heiß, und sicher ließ sich kein Fenster öffnen …
»Nein danke, Monsieur Victor«, lehnte sie freundlich ab. »Nach diesem Essen, es war wundervoll, aber viel zu üppig, brauche ich erst mal eine Verschnaufpause. Ich sollte meinen Mann vielleicht auch von Lady Warrington befreien. Es war nicht unbedingt die glänzendste Idee, sie ihm als Tischdame zuzuteilen …« Wahrscheinlich hatte diese Platzierung dazu gedient, die Fortnams von künftigen Festen bei den Keensleys abzuschrecken, aber mit einer solchen Überlegung hielt Nora natürlich zurück. »Kümmern Sie sich ruhig ein wenig um Deirdre. Die scheint mit ihrem Kavalier ja auch nicht allzu glücklich zu sein.«
Sie wies auf ihre Tochter, die eben ein Gähnen unterdrückte. Nicht gerade ein damenhaftes Verhalten, und Nora schämte sich ein bisschen für ihre Tochter. Victor lachte jedoch erleichtert.
»Tatsächlich?«, fragte er betont beiläufig. »Und dabei dachte ich schon … nun ja, bei einer so unmittelbaren Nachbarschaft …« Er biss sich auf die Lippen. »Und der junge Lord Keensley hat sich ja gleich sehr um Miss Deirdre bemüht …«
Nora seufzte. Sie hatte schon bei Simon oft gedacht, dass man es mit Höflichkeit und Zurückhaltung auch übertreiben konnte.
»Na, dann bemühen Sie sich mal Ihrerseits!«, forderte sie Victor unmissverständlich auf. »Wir jedenfalls haben mit den Keensleys nicht allzu viel gemeinsam, und Deirdre ist ganz sicher niemandem versprochen.«
Lächelnd beobachtete sie, wie der junge Arzt sich daraufhin entschuldigte und zu Deirdre und Quentin eilte. Gleich darauf, als ein Menuett gespielt wurde, reihte sich die junge Frau strahlend neben ihm in die Reihe der Tänzer und Tänzerinnen ein. Quentin führte das blonde Mädchen auf die Tanzfläche –anscheinend gestaltete sich nun doch noch alles nach den Wünschen von Lord und Lady Keensley.
Quentin Keensleys Temperament war jedoch zu aufbrausend, um sich in das Offensichtliche zu fügen. Egal, wie deutlich Deirdre ihm zu verstehen gab, dass er ihre Gunst nicht besaß – so schnell war der verwöhnte junge Mann nicht bereit, sein Werben aufzugeben. Während der nächsten Stunden tanzte er mit einer jungen Frau nach der anderen und lachte und schäkerte mit seinen Partnerinnen, wann immer er an Deirdre vorbeikam. Die nahm allerdings gar nicht wahr, wie beliebt ihr Gastgeber war. Wenn sie nicht gerade mit Victor tanzte, dann plauderte sie angeregt mit ihm. Sie nippte an einem Glas Champagner und hing an den Lippen ihres Kavaliers.
Quentin schäumte vor Wut, immer wenn er Deirdres selbstvergessenes Lächeln sah. Er sprach eifrig dem Rumpunsch zu – schon aus purer Frustration –, und schließlich war es ihm egal, welchen Eklat er womöglich verursachte. Rüde drängte er sich zwischen Deirdre und Victor, als die sich gerade wieder zum Tanz aufstellten.
»Nun reicht es mal, Miss Fortnam!«, erklärte er entschlossen. »Ich habe Sie schon vor Stunden um einen Tanz gebeten. Es wird Zeit!«
Deirdre runzelte die Stirn. »Ich kann mich nicht erinnern, Ihnen irgendetwas versprochen zu haben«, gab sie zurück. »Und für diesen Tanz habe ich bereits Monsieur Dufresne zugesagt.«
Quentin wandte sich Victor zu und funkelte ihn an. »Der hatte ja wohl schon genug Tänze!«, stieß er böse aus. »Überhaupt, was ist das für ein Benehmen? Einfach hier auftauchen und … und den besten Mädchen die
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