Die Insel der roten Mangroven
Schwiegervater ganz sicher nicht allzu gut an.
Doug nickte allerdings verständnisvoll. Er dachte an das Haupthaus von Cascarilla Gardens, bevor es damals abgebrannt war – ein wuchtiges, zweistöckiges Steinhaus mit Mansardendach und Säulen, das sein Vater hatte errichten lassen. Die meisten Pflanzer liebten diese Architektur, zumindest die englischen. Die Franzosen mochten sich womöglich an Versailles orientieren, doch weder der eine Stil noch der andere eignete sich für das Stadthaus eines Arztes, das den Patienten ja eher Vertrauenals Respekt einflößen sollte. Jedenfalls konnte Doug sehr gut nachvollziehen, dass Victor sein künftiges Domizil selbst entwerfen wollte.
»Sie müssen also so bald wie möglich nach Saint-Domingue zurückkehren, um die Bauarbeiten zu überwachen, und Sie würden Deirdre vorher gern einen Antrag machen«, fasste Doug die Lage zusammen. »Wobei Sie von der Zustimmung meiner Tochter ausgehen. Ich verstehe, Dr. Dufresne …« Er stand auf, begab sich zu dem Schrank mit seinen Rumvorräten und stellte zwei Gläser auf den Tisch. »Und ich denke«, sprach er weiter, während er einschenkte, »dass wir uns über den Hochzeitstermin und letztlich Deirdres Abreise nach Hispaniola schon einig werden …«
Victor atmete hörbar auf. Dann nickte er eifrig. »Ich dachte daran, zunächst allein zurückzukehren und alles für Deirdre vorzubereiten«, erklärte er freudig. »Sie soll ein vollständig eingerichtetes und gemütliches Heim vorfinden. Natürlich ganz nach ihrem Geschmack, ich hätte nichts dagegen, die Möbel und Stoffe auch über Jamaika zu beziehen … oder aus London oder Paris kommen zu lassen. Ganz wie Deirdre es möchte. Ich …«
Doug winkte ab. »Wie gesagt – in Sachen Verlobungszeit und erst recht in Bezug auf Möbel und Einrichtung, Aussteuer und anderen Tand werden wir schon zurechtkommen. Da wenden Sie sich am besten an Deirdre selbst und an meine Frau. Aber es gibt sehr viel wichtigere Dinge, über die ich Sie aufklären muss, bevor Sie ernsthaft um meine Tochter werben.« Er nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Sie müssen wissen … Deirdre ist nicht mein leibliches Kind …«
Doug fiel das Geständnis schwer – und er war völlig verblüfft darüber, als Victor nur gelassen nickte.
»Sie … wussten das?«, fragte er verdutzt. »Sie … kennen die Geschichte?«
Victor rieb sich die Schläfe. »Nur in groben Zügen, Mr. Fortnam. Obwohl besonders die Damen der Gesellschaft von Kingston darauf brennen, mir Einzelheiten zuzutragen, seitdem ich auf Ihrem Ball mit Deirdre gesehen worden bin. Ich habe mich demgegenüber bisher bewusst verschlossen. Aber Deirdres Abstammung … Seien Sie mir nicht böse, ich beobachte sehr scharf, und ich … ich habe nie ein dunkelhaariges Kind gesehen, das zwei hellhaarige Eltern hatte. Auch Ihre reizenden Söhne sind beide blond, und sie sehen Ihnen beiden ähnlich. Deirdre dagegen gleicht, bis auf die Haarfarbe und den dunkleren Teint, nur Ihrer verehrten Gattin. Es ist also anzunehmen, dass … die Gerüchte der Wahrheit entsprechen …«
Doug leerte sein Glas mit einem Zug. »Was hat man Ihnen erzählt?«, fragte er.
Victor zuckte die Schultern. »Ich habe nicht wirklich hingehört, Mr. Fortnam. Sie müssen mir das glauben, dieses Gerede ist mir zuwider. Es war von einer Entführung die Rede und von einer langjährigen … Beziehung zu … zu einem Schwarzen.«
Doug seufzte und füllte sein Glas erneut. Erst nach einem weiteren Schluck brachte er die Energie auf, weit in seine und Noras Vergangenheit abzutauchen. Ausführlich schilderte er Dufresne seine Kinderfreundschaft mit dem Sklaven Akwasi und deren abruptes Ende, als Dougs Vater herausfand, dass Doug seinem Freund Lesen und Schreiben beigebracht hatte. Damals hatte er seinen Sohn zur Erziehung nach England gesandt und Akwasi zum Feldsklaven degradiert. Der junge Schwarze hatte unter unwürdigen Bedingungen schuften müssen und sich immer wieder aufgelehnt, was zu drakonischen Strafen geführt hatte. Erst als Nora Elias Fortnam heiratete und sich bald nach ihrer Ankunft auf Jamaika für die Sklaven einzusetzen begann, erfuhr Akwasi Hilfe – und verliebte sich in die junge Frau seines Backras.
»Diese Liebe war natürlich hoffnungslos und blieb auch unerwidert – im Gegensatz zu meiner eigenen Liebe zuNora …«, berichtete Doug dem aufmerksam lauschenden jungen Arzt. »Denn auch ich verliebte mich in meine damalige Stiefmutter, als ich
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