Die Insel der roten Mangroven
sein Geld aufbewahrte, fand sich dann tatsächlich ein kleines Vermögen. Zumindest für Bonnies Verhältnisse, Captain Seegall würde wahrscheinlich darüber lachen. Falls er jedoch wirklich eine »Mitgift« wollte, blieb Bonnie keine andere Wahl, als es mit diesem Geld zu versuchen. Die Piraten mussten sie einfach mitnehmen – ansonsten würde sie hängen. Bestenfalls. Wahrscheinlich würden den Bewohnern von Grand Cayman noch ganz andere Todesarten für ein Niggermädchen einfallen, das seinen Backra getötet hatte.
Bonnie steckte das Geld ein und legte Daytons Pistole und sein Jagdgewehr, dazu natürlich die Messer aus der Schlachterei zurecht. Sie fand einen Gürtel und eine Scheide, in die sie das Schlachtermesser schob, mit dem sie Dayton getötet hatte. Es war etwas zu groß, es musste aussehen, als trüge sie eine Art Schwert, aber irgendwie empfand sie es als Glücksbringer. Schließlich packte sie alles in einen Sack und gab auch noch ein Brot, etwas Trockenfisch sowie ein paar frische Früchte hinein,die sie am Morgen bei Máanu erstanden hatte. Wenn die Piraten sie nicht mitnahmen, konnte sie damit vielleicht ein paar Tage im Wald überleben …
Inzwischen war es weit nach Mitternacht, und Jefe hatte natürlich nicht gewartet. Wahrscheinlich glaubte er, Bonnie habe sich die Angelegenheit noch einmal überlegt. Wann, hatte er noch mal gesagt, würde das Schiff auslaufen? Bonnie rannte den Strand entlang und konnte nur hoffen, den Pfad durch den Dschungel wiederzufinden. Sie hatte ein Windlicht mitgenommen, eine Laterne hatte sie nicht gefunden, und nun konnte sie nicht so schnell laufen, wie sie es gewollt hätte, damit die Kerze nicht erlosch. Als sie den Höhenweg erreichte, konnte sie immerhin aufatmen. Das Schiff lag noch in der Bucht. Die Piraten waren allerdings bereits dabei, die Feuer am Strand zu löschen.
Bonnie hastete den Weg hinunter und erreichte die Männer, als sie gerade das letzte Beiboot ins Wasser schoben.
»Wartet! Wartet!«, keuchte sie. »Ich will noch mit!«
Die Männer, die mit dem Boot beschäftigt waren, griffen alarmiert nach ihren Waffen. Bonnie sah zwei Pistolen auf sich gerichtet, als sie über den Strand lief. Aber dann hörte sie Jefes Stimme.
»Nicht schießen! Nicht schießen, das ist … Bo…« Er brach ab. »Das ist ein Freund von mir«, verbesserte er sich.
Bonnie blieb schwer atmend stehen. Sie brachte kein Wort heraus.
»Und dem hast du brühwarm von uns erzählt?«, fragte einer der Männer verärgert. Bonnie erkannte Sanchez, den Mulatten aus Máanus Laden. »Fängt ja gut an mit dir!«
»Ich hab nicht … also ich hab nur ihr … ihm …« Jefe begann, sich zu rechtfertigen.
Bonnie nahm all ihren Mut zusammen. »Ich hab ihn mit den Waren erwischt«, behauptete sie. »Und ich hab mir so wasgedacht. Und jetzt bin ich hier. Bitte … bitte … ihr müsst mich mitnehmen!«
Der Pirat hob die Laterne, in deren Licht die Männer gearbeitet hatten, und hielt sie vor Bonnies Gesicht. »Müssen wir?«, fragte er lachend. »Einen Hänfling wie dich? Du gehst besser zurück zu deiner Mommy, Kleiner. Und lässt dir das Gesicht waschen.«
Der Pirat wischte mit dem Finger über Bonnies Wange – und verstummte, als er gleich darauf seinen Finger ins Licht der Laterne hielt. Er wurde schlagartig ernst.
»Blut?«, fragte er. »Hast du dich verletzt?«
Bonnie zwang sich, dem Mann in die Augen zu sehen. »Es ist nicht mein Blut«, sagte sie fest – und nahm aus dem Augenwinkel wahr, dass Jefe mit offenem Mund auf das Schlachtermesser an Bonnies Gürtel starrte.
Bonnie griff nach ihrem Sack und leerte ihn vor den Piraten aus. »Ich kann euch nützlich sein«, erklärte sie.
Sanchez warf nur einen kurzen Blick auf die Waffen, während einer der anderen Piraten anerkennend durch die Zähne pfiff. Die Pistole war ein neues Modell, spanisch und erst vor kurzem aus Barbados geliefert worden.
»Wessen Blut?«, fragte Sanchez streng.
»Das … das … das werde ich dem Captain erzählen.« Bonnie verließ der Mut. Wenn sie jetzt gestand, dass sie ihren Backra getötet hatte … Es gab keine Gewähr dafür, dass die Piraten das guthießen. »Wenn … wenn ich an Bord bin.«
Sanchez’ Miene verhärtete sich. »Ich bin der Quartiermeister der Mermaid «, sagte er. »Wer an Bord kommt, bestimme ich. Wessen Blut?«
»Das … seines … Backras, nehme ich an«, mischte Jefe sich ein. »Er hat ihn sehr schlecht behandelt. Siehst du doch!«
Bonnie hatte
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