Die Insel der roten Mangroven
hatte. »Wir können nicht mehr tun, als immer wieder darum zu beten.«
Louise Dufresne gab eine Art Schnauben von sich, das gar nicht zu der vollkommenen Dame passen wollte.
»Wenn ihr euch darauf beschränken wollt, sehe ich allerdings auf Dauer schwarz für einen Enkel!«
Deirdre kämpfte schon wieder mit einem Lachen oder besser mit hysterischem Kichern. Sie wusste längst, dass die Franzosen die protestantischen Engländer für langweilige Frömmler hielten. Dann rang sie sich aber doch nur ein sanftes Lächeln ab.
» Belle-mère , wir tun in jeder Beziehung, was wir können …«
Amali dagegen fand sich schon nach wenigen Wochen Ehe guter Hoffnung. Deirdre verspürte ein bisschen Neid, als ihre Dienerin es ihr stolz verkündete.
»Es wird dann auch kein Sklave sein, oder?«, vergewisserte sie sich. »Wo ich doch jetzt frei bin …«
Deirdre nickte. »Dein Kind wird frei geboren«, beruhigte sie die glückliche junge Schwarze.
»Das bedeutet eine große Verantwortung für dich, Amali«, fügte Victor später hinzu, als sie sich auch ihm anvertraute. »Es muss schließlich lernen, was es mit seiner Freiheit anfangen soll!«
Amali lachte. »Ach, Mèz Victor, was soll es schon anfangen? Es bleibt natürlich hier bei Ihnen, genau wie Lennie und ich. Oder wollen Sie mein Kind nicht, Deirdre, Missis?«
Deirdre versicherte ihrer Freundin Amali, das Kind sei in der Familie Dufresne selbstverständlich herzlich willkommen. Sie äußerte auch ihre Freude über Amalis und Lennies Treue. Bald stellte sich jedoch heraus, dass Amalis Anhänglichkeit an ihre weiße Familie von ihrem Mann nicht geteilt wurde. Eines Morgens, ein paar Wochen vor ihrer Niederkunft, war Lennie plötzlich verschwunden. Amali suchte ihn zunächst im Haus und in den Ställen, wo sie auf drei empörte, hungrige Pferde stieß. Lennie hatte versäumt, sie zu füttern, was Amali natürlich alarmierte. Völlig außer sich weckte sie Deirdre und Victor. Sie konnte sich nicht vorstellen, was ihrem Mann geschehen sein mochte, und fantasierte über Unfälle und Verbrechen.
»Vielleicht ist er ja in der Nacht noch mal rausgegangen, um nach den Pferden zu sehen, und dann ist irgendjemand gekommen, und … Sie müssen die Gendarmerie verständigen, Mèz Victor!«
Victor schüttelte den Kopf und zog rasch einen Morgenmantel über. »Ich hatte so etwas befürchtet«, seufzte er. »Schon lange, der junge Mann hatte diesen … hm … Ausdruck in den Augen. Und was seine Arbeit anging, war er in der letzten Zeit auch nicht gerade eifrig …«
Amali wollte empört etwas erwidern, doch Victor sprachschon weiter. »Ich werde mich in der Stadt nach ihm umhören, wenn auch nicht gleich in der Gendarmerie, das würde er mir übel nehmen.«
»Wenn er … wenn er jedoch entführt wurde oder …« Amali sah ihren Herrn verständnislos an.
Victor rieb sich die Stirn. »Nun sei mal vernünftig, Amali! Wer sollte denn Lennie in unserem Garten auflauern? Nein, nein, der wird schon aus eigenem Antrieb gegangen sein.«
Amalis Augen wurden größer. »Gegangen? Ge… geflüchtet? Allein, ohne mich?«
Deirdre legte den Arm um sie. »Nicht geflüchtet, er hat ja seinen Freibrief. Aber ja, ohne dich. Und ich fürchte, wir können ihn nicht zwingen, zurückzukommen …«
Victor war von dieser Erklärung überzeugt, während Deirdre daran ebenso wenig glauben konnte wie Amali. Ihr war an Lennies Arbeitseinstellung in der letzten Zeit nichts Besonderes aufgefallen, sie hielt ohnehin nicht viel von ihm und war es gewöhnt, ihn ständig zu kontrollieren und auch schon mal hinter ihm her zu räumen. Dann trieb Victor den Vermissten jedoch sehr schnell in einer Hafenspelunke auf. Es war nicht schwierig, der junge Arzt hatte durch seine Sprechstunde für die Mulatten viele Kontakte, und Lennie hatte sich keinerlei Mühe gemacht, seine Spuren zu verwischen. Er trat seinem Herrn ganz gelassen entgegen, als Victor ihn aufsuchte.
»Ich jetzt arbeite hier«, erklärte er. Er war eben dabei gewesen, die Tische abzuwischen, also hatte ihn der Wirt wohl als Hilfskraft eingestellt. »Gefällt besser als Arbeit in Stall. Und kann mir auch keiner verbieten. Bin frei, nicht?«
Er grinste seinen ehemaligen Herrn triumphierend an. Es hatte zwar etwas gedauert, bis Lennie die Sache mit dem Freibrief verstand, aber jetzt war er entschlossen, etwas daraus zu machen.
Victor hob hilflos die Hände. »Du bist kein Sklave, Lennie, da hast du Recht. Doch du bist nach wie vor Amalis
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