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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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freiwillig wird keiner so schrecklich verenden wie zuletzt die Sartremonts.«
    Die letzten Opfer in der näheren Umgebung von NouveauBrissac hatten wohl etwas weniger Gift zu sich genommen als die Courbains. Victor kämpfte fast zwei Tage lang verzweifelt, aber aussichtslos um ihr Leben. Vor den Mahlzeiten gruselte es Deirdre immer ein bisschen, wenn die jungen Dufresnes auf Victors Heimatplantage zu Gast waren, am liebsten hätte sie sich ihr Essen mitgebracht. Sonst jedoch freute sie sich über jeden Ausflug aufs Land. Denn so schön und gemütlich ihr Haus war und sosehr sie Victor liebte – Deirdre hatte sehr bald nach der Ankunft in Cap-Français begonnen, sich in ihrem neuen Leben zu langweilen. Natürlich hatte Victor sein Versprechen wahr gemacht, sie in die Gesellschaft der Stadt einzuführen. Gleich beim ersten Kirchgang dort machte er sie mit den wichtigsten Familien bekannt. Allerdings gab es in der besseren Gesellschaft kaum Paare ihres Alters. So quirlig und jung die Stadt auf den ersten Blick schien, wenn man die Märkte und das Hafenviertel betrachtete – die meisten Menschen, die hier die Straßen bevölkerten, die Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe gründeten, waren Mulatten oder setzten sich aus schwarzen und weißen Mitgliedern zusammen. Da heiratete dann zum Beispiel ein Zimmermann seine schwarze Sklavin und setzte sie damit frei. Deirdre lernte die Frau kurz kennen und stellte schnell fest, dass sie mit ihr wesentlich mehr Gesprächsstoff gehabt hätte als mit den älteren Damen aus der Kirchengemeinde, die sie regelmäßig zum Tee baten. Aber natürlich schickte es sich nicht für ein Mitglied der Familie Dufresne, mit solch einfachen Leuten zu verkehren. Und darüber, was sich schickte, wachte die bessere Gesellschaft der Stadt sehr sorgfältig!
    So stellte Victor Deirdre denn auch eines Tages zur Rede, weil sie ohne Begleitung ausritt. »Ich bin darauf angesprochen worden«, bemerkte er etwas befangen, »von der Schwester des Pfarrers …«
    Fabienne Roches führte dem Geistlichen den Haushalt und hatte die Gemeinde in vielerlei Hinsicht besser im Griff als ihrBruder. Deirdre hätte von einem Würgegriff gesprochen, hätte sich eine Freundin zum Spotten gefunden.
    »Es ist fahrlässig, allein zu reiten, zumal du dich nicht auf die Straßen in der Stadt beschränkst …«
    Deirdre blitzte ihn an. »Nein. Ich bin zur nächsten Bucht hinuntergeritten und …« Sie verhielt ihre Rede im letzten Moment. Es war sicher besser, nicht zuzugeben, auch noch geschwommen zu sein. »Ich bin am Strand entlanggaloppiert«, sagte sie trotzig. »Was ist daran anstößig?«
    »Eigentlich nichts«, murmelte Victor. »Aber du weißt, wie die Leute sind. Sie reden. Und ich als Arzt, du als Arztgattin … na ja, sie erwarten von uns eben vorbildhaftes Verhalten. Da passt es nicht ins Bild, wenn du allein durch die Gegend streifst.«
    »Wenn ich Lennie hinter mir hertraben lasse, komme ich nicht voran«, wandte Deirdre ein. »Und oft bist du ja auch mit deinen Pferden unterwegs, dann hat er gar kein Reitpferd …«
    Victor biss sich auf die Lippen. »Man würde es wohl auch nicht als angemessen empfinden, wenn du allein mit einem Schwarzen reiten würdest«, sagte er dann. »Man könnte auf den Gedanken kommen, du …« Er sprach nicht weiter.
    Deirdre schaute ihn ungläubig an. »Die alte Roches könnte annehmen, dass ich … und Lennie?« Sie lachte.
    Auf Jamaika wäre das ein Unding gewesen, Beziehungen zwischen weißen Frauen und Sklaven waren undenkbar und ein schwarzer Reitknecht als Begleiter allein reitender Frauen akzeptiert. Hier allerdings … Der Code Noir enthielt Regelungen für die Kinder weißer Frauen mit Sklaven. Solche Affären schienen also vorzukommen.
    »Was gedenkst du denn nun, das ich tun soll?«, fragte Deirdre ihren Mann provozierend. »Soll sich Alegría im Stall zu Tode langweilen?«
    Victor schüttelte gequält den Kopf. »Nein, natürlich nicht, aber … wenn du wenigstens nicht aus der Stadt reiten würdest …Ich kann dich auch gern mal begleiten … und sonst … Vielleicht könnte man Alegría auch einfahren. Eine kleine Chaise … würde vielleicht eher akzeptiert.«
    Deirdre zog darauf nur eine Augenbraue hoch und bestrafte ihren Gatten mit ausgiebigem Schmollen in den kommenden zwei Tagen. Victor kam allenfalls auf Nouveau Brissac einmal dazu, mit ihr auszureiten, und selbst da fanden sich meist Patienten, die seine Zeit beanspruchten. Und das Vollblut

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