Die Insel Der Tausend Quellen
wiedersehen!«, lachte er dann, schwang sich in den Sattel und trieb sein Pferd an.
Nora blieb verwirrt zurück.
Nora ließ ebenfalls ihr Pferd satteln und freute sich, dass Peter keine Anstalten machte, ihr eine Begleitung zuzuweisen. Der alte Stallmeister schien an diesem Morgen sowieso nicht allzu sehr bei der Sache zu sein, Nora musste selbst die letzten Schnallen an Auroras Zaumzeug schließen. Eigentlich hätte sie den Mann dafür tadeln müssen, aber sie war zu aufgewühlt, um an irgendetwas anderes zu denken als an Dougs Kuss, seine festen, aber doch zärtlichen Lippen, das mutwillige Lachen, als er sich von ihr trennte. Was um Himmels willen war das? Was ging in ihr vor, was machte er mit ihr?
Nora galoppierte zum Strand, überzeugte sich davon, dass er wie fast immer verwaist war, und ließ sich in die Wellen gleiten wie so oft zuvor. Das Meerwasser würde den Kuss abwaschen – und das seltsame Gefühl, das er in ihr erzeugt hatte, wegspülen. Wenn sie im warmen Sand lag, würde sie wieder an Simon denken …
Aber tatsächlich drängte sich ihr beim Eintauchen ins Wasser das Bild ihres letzten Besuches am Strand auf. Sie war mit Doug hier gewesen, sie waren um die Wette geritten – und dann, als Nora brav ein Picknick auspackte, hatte er ohne jede Scham Stiefel und Hemd ausgezogen und sich in seinen Breeches in die Wellen gestürzt. Wobei er auch noch einen wilden Schrei ausstieß, wie ein Piratenkapitän beim Stürmen eines Schiffes. Nora hatte gelacht und ihn ein bisschen beneidet. Einer Dame war es selbstverständlich verboten, sich im Beisein eines Kavaliers auch nur ihrer Strümpfe zu entledigen, um im Wasser zu plantschen. Aber dann verlor sie sich ganz in ihrer Bewunderung für Dougs geschmeidigen Körper, das Spiel seiner Muskeln, seinen kraftvollen Kampf mit dem an diesem Tag recht bewegten Meer … Es war schön gewesen, ihm zuzusehen. Und jetzt erinnerte sie sich daran, als sie selbst im Wasser trieb – und sehnte sich nach seinem Körper neben sich, nach einem Wettschwimmen, einem gemeinsamen Spiel mit Wasser und Sand.
Nora war aufgewühlt gewesen, als sie zum Strand ritt, aber auf dem Heimweg klopfte ihr Herz noch schneller. Sie wusste nicht, wie sie die Gefühle einordnen sollte, die sie bewegten. Einerseits fühlte sie sich jünger, wacher und schien die Welt mit klareren Augen zu sehen. Andererseits pochte etwas wie Schuld in ihr. Als hätte sie Simon verraten …
KAPITEL 8
N ora wusste nicht, ob sie es sich einbildete oder ob es vielleicht mit dieser seltsam veränderten Wahrnehmung zu tun hatte, die sie zu haben meinte, seit Doug sie geküsst hatte. Aber als sie nach Cascarilla Gardens zurückkehrte, erschien ihr irgendetwas an der Atmosphäre im Hause seltsam. Die Diener wirkten fahrig und unkonzentriert, wieder brachen sie Gespräche ab, wenn Nora vorbeikam. Schließlich traf sie den Entschluss, der Sache auf den Grund zu gehen. Sie schickte Máanu fort und verbrachte den Nachmittag im Garten – allerdings nicht an ihrem Lieblingsplatz im Pavillon, wo sie höchstens durch Zufall mal Wortfetzen oder gar Gespräche aus der Küche mithörte. Stattdessen begab sie sich gezielt auf die Terrasse, die den Küchenvorplatz überdachte, und lauschte. Nora brauchte nicht lange zu warten. Irgendetwas war bei der Dienerschaft tatsächlich in aller Munde – allerdings senkten sie auch unter sich die Stimmen, wenn sie darüber redeten, und ergingen sich in Andeutungen.
»Du lenken Fluch auf Jimmy, wenn nicht dich fragen, ob mit dich geht«, neckte eins der Küchenmädchen kichernd das andere.
»Pah … ich lenken Zauber auf Jimmy, dann geht mit mich!«, gab das andere zurück.
»Für richtige Zauber du brauchen Huhn!«
»Hat sich Huhn!«
»Weißt du, wer bringt Huhn?«
»Weiß nicht, vielleicht bringen Jimmy Huhn zu machen Hochzeit mit mich!«
Wieder hörte Nora Gelächter. Sie runzelte die Stirn. Flüche und Hühner, auch Máanu hatte schon mal so etwas erwähnt. Und Zauber. War sie hier womöglich endlich einer der geheimnisvollen Obeah-Zeremonien auf der Spur, von denen Doug erzählt hatte? Passen würde es, schließlich war der Backra zuverlässig aus dem Haus und Doug, dem zumindest Máanu und Akwasi misstrauten, ebenfalls.
Dem Gespräch zwischen zwei Hausdienern meinte Nora dann auch den Zeitpunkt entnehmen zu können. »Wenn Mond steht über Meer.«
Nun stand der Mond da natürlich die halbe Nacht, und irgendwelche Auskünfte über den Ort des Treffens erschlossen sich Nora
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