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Die Insel Der Tausend Quellen

Die Insel Der Tausend Quellen

Titel: Die Insel Der Tausend Quellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Rang einnahm, sich so weit hinten versteckte. Máanu und Mansah waren nicht bei ihr, sie saßen in der Mitte des Kreises, den die Sklaven um einen freien Raum gebildet hatten, näher. Máanu hatte sich einen Platz gegenüber von Akwasi gesucht. Sie schaute ihn unablässig an.
    Nora konnte sich nun in der Scheune orientieren, was nicht sehr schwer war. In der Mitte befand sich eine Feuerstelle, und zwei Männer nah des Eingangs trugen obendrein Fackeln, um den Leuten den Weg zu weisen.
    Die beiden schlossen schließlich auch die Tür der Scheune hinter den letzten Nachzüglern, und einer von ihnen begann gleich darauf zu singen. Nora erschrak, als Adwea mit lauter, dunkler Stimme einfiel, ebenso die anderen Sklaven. Das Lied klang anrührend, klagend, aber die Worte verstand Nora nicht. Es war auch kein Englisch, die Menschen mussten dieses Lied und diese Sprache aus Afrika mitgebracht haben.
    »Was heißt das?«, flüsterte Nora, als Adwea und die anderen eine Silbenfolge mehrmals wiederholten.
    Adwea zuckte die Schultern. »Ich nicht wissen, keiner wissen, rufen Geister … Sprache von Geister.«
    Nora nahm zwar an, dass die Worte ursprünglich etwas bedeutet haben mussten, aber jetzt, da sie genau hinhörte, stellte sie fest, dass jeder Sänger sie etwas anders aussprach und einige auch offensichtlich improvisierten. Keiner wusste, was er da sang, aber dennoch wurden die Lieder immer lauter und fordernder. Dazu erklangen jetzt Trommeln überall in der Scheune.
    Und dann trat ein Mann in die Mitte des Raumes ans Feuer. Er war groß, massig und nackt bis auf einen Lendenschurz, und er intonierte Beschwörungen. Der Obeah-Mann. Nora war verblüfft, als sie ihren braven Stallmeister erkannte. Peter, der jeden Sonntag gläubig an den Lippen des Reverends hing.
    »Kwadwo«, sagte Adwea beiläufig.
    »Das ist sein richtiger Name?«, fragte Nora.
    Die Köchin nickte. »Er mächtiger Zauberer. Sohn von Medizinmann.«
    Nora rieb sich die Stirn und bemerkte gar nicht, dass sie damit Dougs Geste nachahmte. Kwadwo warf nun weiteres Holz aufs Feuer – kein Wunder, dass er sorgsam darauf geachtet hatte, kein Heu mehr in der Scheune zu lagern. Er hängte jetzt einen Kessel über die auflodernden Scheite und goss eine helle Flüssigkeit aus einer Kalebasse hinein. Danach nahm er einen Schluck aus der Kalebasse und reichte sie dem nächstsitzenden Sklaven. Seine Helfer ließen weitere Gefäße kreisen, und auch Adwea erhielt einen Krug. Nora roch Zuckerrohrschnaps. Adwea führte den Krug an die Lippen und reichte ihn dann nach kurzem Zögern ihrer Herrin. Nora zögerte. Konnte sie hier mit den Sklaven trinken? In England hätte sie sich niemals so mit ihren Dienern gemein gemacht.
    »Bringt Sie näher die Geister«, erklärte Adwea.
    Nora biss sich auf die Lippen und nahm dann einen kräftigen Schluck. Vielleicht musste man das einfach sehen wie das Teilen von Brot und Wein in der christlichen Gemeinde. Und da feierten Herr und Diener schließlich traditionell gemeinsam die Messe.
    Der Gesang wurde lauter und fordernder, als die Krüge, Flaschen und Kalebassen zum zweiten und dritten Mal die Runde gemacht hatten. Die Menschen wiegten sich jetzt auch im Takt der Lieder, die Trommeln schienen Gewalt über sie zu gewinnen. Nora hatte das Gefühl, als würden sie direkt in ihrem Kopf geschlagen. Ein paar junge Leute vorn tanzten, ebenso der Obeah-Mann – aber dann erschrak Nora erneut, als ein Messer in seiner Hand aufblitzte. Der Gesang schwoll zu einem Crescendo an, aber Kwadwos Schrei übertönte ihn noch, als er jetzt ein Huhn aus einem Sack zog, das Tier in die Luft warf und mit einem blitzschnellen, wohlgezielten Schlag mit der Machete den Kopf vom Körper trennte. Eine Blutfontäne ergoss sich über die Nächststehenden. Der Körper des Tieres regte sich noch – wahrscheinlich wäre es wirklich noch ein paar Schritte gelaufen wie in der blutrünstigen Gespenstergeschichte, die Nora gelesen hatte. Aber der Obeah-Mann hob es nun rasch auf und schleuderte es in die Mitte der Gläubigen – in Máanus Richtung, wie Nora glaubte. Tatsächlich hob das Mädchen das tote Tier auf, hielt es über den Kessel und ließ es ausbluten. Aus dem Gefäß stieg stinkender Rauch auf, als der Obeah-Mann nun darin rührte und obendrein Kräuter verbrannte.
    Auf die Menschen in der Nähe des Feuers schien dies aufpeitschend zu wirken, sie sangen, schrien und tanzten noch lauter. Adwea reichte Nora noch einmal den Krug mit dem Schnaps. Nora nahm ihn

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